„Nur die dummen Deutschen steigen aus der Atomenergie aus, aber überall sonst setzt man auf den Ausbau der Atomkraft“ So oder ähnlich lauten Sprüche, die mir seit über 20 Jahren bis heute in Veranstaltungen vorgehalten werden, insbesondere von Vertretern oder Sympathisanten von CDU/CSU/FDP/AFD/FW/BSW – ganz im Sinne ihrer die Atomenergie befürwortenden Parteispitzen.

Doch stimmt das überhaupt? Gibt es denn wirklich eine globale Atomenergierenaissance?

Ganz klar: Nein!

Wer wissen will, wie die Verhältnisse der globalen Atomwirtschaft wirklich sind, kann sich nicht im X- oder Facebook-Format aufhalten oder gar nur die Fakenews der Atombefürworter lesen. Man muss sich schon tiefer in die umfassende Lage der Atomwirtschaft in der Welt einarbeiten, um die Wirklichkeit tatsächlich erfassen zu können.

Da ist es hilfreich, dass Mycle Schneider in Paris jährlich den World Nuclear Industry Status Report herausgibt.

Gerade wurde der Report 2024 veröffentlicht.

https://www.worldnuclearreport.org/IMG/pdf/wnisr2024-v1.pdf

Auf 513 Seiten finden sich umfassende und detailreiche Informationen, gut aufbereitete Zusammenfassungen und klare Bewertungen. Hier einige Auszüge:

Die allgemeine Schlussfolgerung des Reports hält fest:

Entgegen der weit verbreiteten Auffassung bleibt die Kernenergie

auf dem internationalen Markt für Stromerzeugungstechnologien irrelevant.

Wesentliche erhellende Erkenntnisse des Reports sind:

Im Jahr 2023 wurden weltweit 5 neue Kernreaktoren (5 GW) in Betrieb genommen und 5 stillgelegt (6 GW), was einen Netto-Rückgang um 1 GW entspricht.
Die weltweite Atomstromerzeugung stieg gegenüber dem Vorjahr leicht um 2,2 Prozent, blieb aber unter den Werten für 2021 und 2019.
Der Anteil der Kernenergie an der weltweiten kommerziellen Bruttostromerzeugung sank von 9,2 Prozent auf 9,1 Prozent, das ist nur noch etwas mehr als die Hälfte des Spitzenwerts von 17,5 Prozent im Jahr 1996.
Mitte 2024 waren weltweit 408 Reaktoren mit 367 GW in Betrieb, einer mehr als ein Jahr zuvor, aber 30 unter dem Höchststand von 2002 – 34 Blöcke befanden sich in Langzeitstillstand.
Zwischen 2004 und 2023 gab es weltweit 102 Inbetriebnahmen und 104 Schließungen von Atomkraftwerken weltweit: ein Anstieg von 49 Atomkraftwerken in China; außerhalb Chinas ein Netto-Rückgang um 51 Anlagen.
China baute mehr als 200 GW Solarkapazität und nur 1 GW an Kernkraft; die Solarenergie produzierte insgesamt 578 TWh und überholte damit die Kernkraft um 40 Prozent. Insgesamt erzeugten in China die Erneuerbaren Energien sogar ohne Wasserkraft viermal so viel Strom wie die Atomenergie.
Der globale Ausbau Erneuerbare Energien steigt steil an, der globale Ausbau Atomenergie dagegen schrumpft. Im Jahr 2023 wurden die Gesamtinvestitionen in Erneuerbare Energien auf einen Rekordwert von 623 Milliarden US-Dollar gesteigert, 27mal mehr als für den Bau von Kernkraftwerken ausgegeben wurde. Solarenergie und Windkraft stiegen um 73 Prozent bzw. 51 Prozent, was zu 460 GW an neuer Kapazität führte gegenüber einem Rückgang von 1 GW bei der Kernkraftkapazität. Globale Wind- und Solaranlagen erzeugten 50 Prozent mehr Strom als die Kernkraft.
In der Europäischen Union erreichte der Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung 44 Prozent. Solar- und Windkraftanlagen produzierten zusammen 721 TWh, fast ein Viertel mehr als die Kernenergie mit 588 TWh. Ebenfalls zum ersten Mal erzeugten Erneuerbare Energien mehr Strom als alle fossilen Brennstoffe zusammen. Die Windkraft allein übertraf die Stromproduktion aus Erdgas.
Die Kosten für Solarenergie plus Speicherung sind in den meisten Märkten deutlich niedriger und äußerst wettbewerbsfähig mit anderen emissionsarmen Stromquellen, die heute kommerziell verfügbar sind.

Die Erkenntnisse des World Nuklear Industry Status Report 2024 sind überdeutlich: Es gibt keine Nuklearrenaissance in der Welt, wie sie seit über 20 Jahren von der Atomwirtschaft mit viel Propaganda herbeigeredet wird.

Alle, die dennoch glauben, es gäbe eine Atomrenaissance in der Welt, sollten sich die Zeit nehmen und den Report genau lesen, statt den vielen Fakenews in den sozialen Medien Glauben zu schenken.

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