Hauptstädte können eine große Signalwirkung für den Klimaschutz entfachen.
Der Australische Bundesstaat ACT, der im Wesentlichen gleichbedeutend mit der australischen Hauptstadt Canberra ist, gilt seit Jahren als Vorreiter für den Klimaschutz mit Erneuerbaren Energien.
Schon Mitte der Nullerjahre hatte ACT, anders als Australien selbst, auf die feste gesetzlich Einspeisevergütung für Ökostrom gesetzt. Ich selbst hatte damals als Experte in der Anhörung im Parlament die Grundprinzipien und Erfolge des EEG in Deutschland dargestellt. Damals wurde auch das Ziel von 100 Prozent Ökostrom politisch fixiert.
Der Erfolg ist beachtlich: schon seit 2020 wird Canberra zu 100 Prozent mit Ökostrom versorgt. Damit werden fast ein halbe Million Menschen und eine große Wirtschaftsregion mit sauberer Energie versorgt. Dennoch wird der Ausbau von Ökostrom in ACT weiter vorangetrieben, da auch Heizungen und Verkehr vollständig mit Ökostrom elektrifiziert werden sollen. Bereits heute liegt der Anteil der E-Mobile in Canberra mit 20 Prozent weit über dem Landesdurchschnitt.
Die Stromkunden in Canberra profitieren von einer 100%igen Ökostromversorgung
Auch in Australien steigen die Inflation sowie die Erdgas- und Kohlepreise, was zu steigenden Strompreisen führt. Im kommenden Jahr werden in Australien daher Strompreiserhöhungen von 20 bis 27 Prozent erwartet.
Nicht so in Canberra. Dank der vollständigen Versorgung mit günstiger Solar- und Windenergie liegt die Strompreiserhöhung dort bei nur 4,2 Prozent und damit sogar unter der Inflationsrate. Dadurch spart ein durchschnittlicher Haushalt in Canberra 225 US-Dollar pro Jahr. Im angrenzenden Bundesstaat New South Wales, der weiterhin stark von Erdgas- und Kohleverstromung abhängig ist, muss ein Haushalt hingegen im kommenden Jahr mit einer durchschnittlichen Strompreiserhöhung von 747 US-Dollar rechnen.
Einen besseren Beleg für die kostendämpfende Wirkung von Ökostrom kann es nicht geben.
Canberra zeigt auch, wie schnell eine 100%ige Ökostromversorgung verwirklicht werden kann, wenn eben nicht wie in Deutschland das exponentielle Wachstum des Ökostromausbaus durch kontraproduktive Gesetzesänderungen, wie beispielsweise Umstellungen auf Ausschreibungen, gebremst wird.
Canberra beschließt Verbot neuer Erdgasanschlüsse
Um die Elektrifizierung mit Ökostrom auch im Heizungssektor voranzubringen, hat das Parlament in ACT vor wenigen Tagen ein Verbot für den Neuanschluss von Erdgas beschlossen.
Dieser Beschluss zeigt Parallelen zum Gesetzesentwurf von Minister Habeck zum Auslaufen von Erdöl- und Erdgasheizungen. Auch in Australien hat die der fossilen Wirtschaft sehr zugeneigte Murdoch Presse gegen diesen Beschluss opponiert, genauso wie die Springer-Presse in Deutschland gegen das Gebäudeenergiegesetz (GEG).). Mit Falschaussagen und vielen übernommenen Argumenten aus der Erdgaswirtschaft unterstützte die Murdochpresse die Interessen der fossilen Wirtschaft, genauso wie die Springerpresse in Deutschland.
Doch in ACT blieb die Parlamentsmehrheit aus Labour und Grünen standhaft und verabschiedete das Gesetz. Es ist ihnen klar, dass die absehbaren Preissteigerungen, vor allem beim Erdgas, die Heizungskunden stark strapazieren werden und daher der Umstieg auf Heizungen mit Erneuerbaren Energien aus sozialen Gründen geboten ist. Zudem leidet Australien immer mehr unter Wetterextremen wie katastrophalen Hitzeperioden und Dürren sowie Flutkatastrophen, weshalb der Klimaschutz mehr und mehr ernst genommen wird.
Und die deutsche Hauptstadt Berlin?
In Canberra bedurfte es keines Volksbegehrens um Klimaneutralität und 100 Prozent Erneuerbare Energien bis 2030 anzustreben. Im Parlament selbst wird der Klimaschutz aktiv vorangebracht. In der Bundeshauptstadt Berlin dagegen haben SPD, Union und FDP alles getan, um das Volksbegehren für 100 Prozent Erneuerbare Energien und Klimaneutralität bis 2030 abzuwehren. Leider ist es trotz mehrheitlicher Zustimmung der BerlinerInnen dann an der übergroßen Hürde des Quorums gescheitert.
In Berlin ist auch keine ähnliche Initiative wie in Canberra bekannt, Erdöl- und Erdgasheizungen durch Neubauverbote auslaufen zu lassen.
Damit schädigt die Berliner Hauptstadtpolitik nicht nur das Klima weiter, sondern belastet auch die Geldbeutel der BerlinerInnen mit immer höheren Kosten für Strom und Heizungen aus fossilen Energien wie Erdgas und Kohle, ähnlich wie es bei den Energiekunden in New South Wales der Fall ist. Verantwortungsvolle Berliner Politik hätte wie in der australischen Hauptstadt Canberra Vorreiter sein und 100 Prozent Erneuerbare Energien bis spätestens 2030 angehen müssen. Stattdessen setzt auch die Berliner Landespolitik weiter auf Erdgasheizungen und -kraftwerke, die dann LNG aus Erdgas benötigen, welches auch aus Australien geliefert wird. Die Erdgaspreissteigerungen in Australien werden auch Berlin erreichen. In Canberra setzt man auf den Ausstieg aus dem Erdgas, auch weil es immer teurer wird. In Berlin dagegen setzt man weiterhin auf immer teurer werdendes Erdgas, auch aus Australien. Was für eine verantwortungslose Politik in Berlin. Längst hätte die Hauptstadt Berlin von der Hauptstadt Canberra lernen können, wie man zu 100 Prozent auf Ökostrom umstellt und den Ausstieg aus fossilen Heizungen angeht.
Eine Hauptstadt kann Vorbildwirkung haben
Die Vorbildfunktion einer Hauptstadt hat offensichtlich motivierende Auswirkungen auf das ganze Land. Australien hat von 2019 bis 2022 mit etwa 230 Watt pro BürgerIn mehr in Windkraft und Solarenergie investiert als die Deutschen mit etwa 90 Watt. Andrew Blakers, Wissenschaftler an der National University of Australia in Canberra und Mitglied des Wissenschaftler Netzwerkes der Energy Watch Group, hat erst kürzlich in einem lesenswerten Artikel darauf hingewiesen.
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