Ein europäisches Bürgergehen zur Einführung einer Reichensteuer ist angelaufen. Ich empfehle es zu unterstützen. Richtig ausgestaltet, kann diese Vermögenssteuer auch einen erheblichen Beitrag zur Finanzierung wichtiger Klimaschutzmaßnahmen schaffen.

Klimareporter hat dazu einen Beitrag von mir am 29.Juli veröffentlicht.

Hier ist er im Wortlaut:

Ein bedeutsames Bürgerbegehren läuft gerade auf EU-Ebene. Es zielt auf ein gerechteres und gleichzeitig klimaschützendes Europa ab.

Derzeit ist die Europäische Union sozial nicht gerecht aufgestellt und trägt massiv dazu bei, dass die ökologischen Grenzen unseres Planeten deutlich überschritten werden. Vor allem stoßen die Länder der EU immer noch viel zu viele Treibhausgase aus. So kann wirksamer Klimaschutz nicht erreicht werden.

Dafür stehen gerade die Reichen in der Verantwortung. Das reichste eine Prozent der Weltbevölkerung besitzt fast die Hälfte des globalen Vermögens.

Auch in Deutschland werden die Reichsten immer reicher und die Ungleichheit nimmt zu. Das Gesamtvermögen der fünf reichsten Deutschen wuchs seit 2020 inflationsbereinigt um rund drei Viertel von etwa 89 Milliarden auf 155 Milliarden US-Dollar.

Die Erderhitzung wird vor allem von wenigen Reichen verursacht. Die Ultrareichen stoßen mehr CO2 aus als die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung.

In Deutschland verursachten die ärmsten Bürger 2019 etwas über drei Tonnen CO2 pro Kopf. Demgegenüber waren es beim reichsten einen Prozent etwa 105 Tonnen – also fast das 35‑Fache.

Dabei könnten die Reichen durch einen anderen Lebensstil und durch Investitionen in emissionsfreie Autos, Heizungen oder Yachten ihre hohen Emissionen deutlich senken. Sie können und müssten darüber hinaus auch die Markteinführung anfänglich teurer Nullemissionstechnologien finanzieren und so eine schnelle Kostensenkung anstoßen. Viele Nullemissionstechnologien werden dadurch nach und nach für alle Bevölkerungsschichten erschwinglich.

Auch wenn ärmere Leute und die Mittelschicht pro Kopf viel weniger Treibhausgase verursachen, so tragen sie doch wegen ihrer größeren Anzahl ebenfalls erheblich zur Erdaufheizung bei.

Verursacherprinzip auf den Kopf gestellt

Diese Gruppen können aber aus strukturellen und finanziellen Gründen vielfach nicht oder nur schwer auf einen Lebensstil mit noch weniger Emissionen umsteigen. Denn sie haben zum Beispiel wenig Einfluss darauf, welche Heizung in ihrem Mietshaus betrieben und ob es gedämmt wird. Oder ob ihr Bus mit Diesel oder Ökostrom fährt. Genau deshalb braucht es für sie finanzielle Unterstützung aus dem Lager der Reichen.

Den Reichen wird es persönlich nicht schlechter gehen, wenn sie etwas von ihrem Geld abgeben müssen – zum Beispiel für bessere und emissionsfreie Bahnen und Busse, für den Ausbau der erneuerbaren Energien, für eine wirksame Anpassung an die Folgen der Erderhitzung, für Unterstützung von Klimaschutzmaßnahmen, die sich Arme nicht leisten können, für bessere Schulen oder eine bessere Gesundheitsversorgung überall im Land.

 

All das würde allen nutzen, vor allem aber den Menschen mit wenig Geld, den Reichen aber nicht wehtun.

Die Auswirkungen der Treibhausgasemissionen, die vor allem von den Reichen verursacht wurden und werden, tragen enorm zu weiterer Ungleichheit bei. Denn es sind vor allem arme Menschen, die stärker unter den Auswirkungen des Klimawandels leiden.

Sie müssen oft in schlecht gedämmten Häusern ohne Klimaanlage wohnen, die sich in Hitzeperioden besonders stark aufheizen und in kalten Wintertagen die Heizkosten nach oben treiben.

Sie wohnen in Stadtteilen mit besonders wenig Grünflächen, wo sich die Umgebung stärker aufheizt und auch die Erholungsflächen klein sind. Sie arbeiten nicht in klimatisierten Büros, sondern viel öfter draußen, in schlecht bezahlten Jobs. Sengender Hitze oder plötzlichem Unwetter sind sie stärker ausgesetzt.

Steigende Lebensmittelpreise nach Missernten infolge von Wetterextremen treffen die Armen ungleich stärker. Schäden nach Extremwetter wie abgedeckte Häuser oder vollgelaufene Keller und Wohnungen, zerstörte Möbel und Haushaltsgeräte können sie meist nicht selbst bezahlen.

Reiche können sich noch ein paar Jahrzehnte schützen

Ultrareiche, die mit ihren Privatjets, Yachten und Villen die Erde anheizen, können sich gegen Hitzewellen, andere extreme Wetterereignisse sowie klimabedingte Preisschwankungen – nicht nur bei Lebensmitteln – besser schützen. Allerdings auch nur noch so lange, wie sie nicht selbst von Extremwetter betroffen sind. Im Extremfall können auch ihre Edellimousinen absaufen oder die Privatjets in Supertornados abstürzen.

Sie haben genug Geld, um die anfänglichen Auswirkungen der Erdaufheizung für sich abzumildern. Und genau dieses Geld haben sie oft genug aus dem atomaren und fossilen Wirtschaften und damit der Klimazerstörung verdient.

Auch die Reichen wird es eines Tages in der Klimahölle schlimm treffen – sofern wir sie nicht verhindern. Daher sollten sie selbst ein großes Interesse haben, Klimaschutz für alle in der Gesellschaft mitzufinanzieren und ihre Aktivitäten selbst auf die vorhandenen Varianten ohne Emissionen umzustellen.

Reiche Menschen sind nicht von vornherein verantwortungslos. Es gibt durchaus einige, die von ihren hohen Geldvermögen abgeben wollen und auch tatsächlich abgeben, damit Klimaschutz und Armutsbekämpfung finanziert werden können.

Es gibt schon Reiche, die freiwillig aus ihrem Reichtum den Klimaschutz und andere gesellschaftlich wichtige Aufgaben finanzieren wollen – auch über höhere Steuern und nicht nur durch Wohltätigkeit.

Die Initiative „Tax me now“ von knapp 70 Millionären in Deutschland fordert selbst eine höhere Besteuerung der Reichen. Die „Millionaires for Humanity“ fordern Ähnliches auf internationaler Ebene.

Vielfach wird dagegengehalten, dass die wenigen Reichen in Summe gar nicht nennenswert die großen Aufgaben eines Staates mitfinanzieren könnten. Dem widerspricht das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung. Das DIW hat ausgerechnet: Wenn Hochvermögende so besteuert werden wie in anderen vergleichbaren Industrienationen auch, kann das 100 Milliarden Euro jährlich in die deutschen Staatskassen bringen.

In Deutschland werden Reiche durchaus niedriger besteuert als in vielen anderen Ländern, dafür aber der Mittelstand umso höher.

Eine Million Unterschriften bis Oktober

Es ist deshalb an der Zeit, die Reichen mit einer europäischen Vermögenssteuer zur Verantwortung zu ziehen.

Dazu gibt es jetzt ein europäisches Bürgerbegehren. Wenn dafür bis Oktober EU-weit eine Million Unterschriften gesammelt werden, muss die EU-Kommission sich mit dem Thema beschäftigen und einen Vorschlag machen, wie eine solche Vermögenssteuer umzusetzen ist.

Das Bürgerbegehren, initiiert von Persönlichkeiten wie dem Ökonomen Thomas Piketty und unterstützt von Unternehmer:innen, Gewerkschaften, Sozial- und Umweltorganisationen, hat eine große Chance, bis Oktober tatsächlich die eine Million Unterschriften zu schaffen.

Wichtig ist: Das Bürgerbegehren zielt noch nicht auf einen genau ausgestalteten Gesetzentwurf. Das ist gut so, denn es geht zunächst darum, dass es überhaupt eine Vermögenssteuer auf große Vermögen gibt.

Befürchtungen, dass damit auch einer Substanzbesteuerung für mittelständische Betriebe auf ihr Betriebsvermögen die Tür geöffnet wird, sind unbegründet. Dies wäre zwar in der Tat fatal, denn es könnte manche Betroffene in den Ruin treiben. Aber es geht bei der Besteuerung um Privatvermögen und nicht um Betriebsvermögen.

Den vom Bürgerbegehren eingeforderten Vorschlag, der dann vom Europäischen Parlament und dem Rat der EU-Staaten behandelt werden muss, kann nur die EU-Kommission vorlegen – so sind die EU‑Regeln.

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