Koalitionsvertrag und die Energiewende in Sachsen: Zwischen Aufbruch und Altlasten

Der LEE Sachsen begrüßt die energiepolitischen Ambitionen des Koalitionsvertrags (Rz. 896–1150), sieht aber zugleich erhebliche Lücken bei der regionalen Umsetzung. Während einige Maßnahmen Sachsens Stärken in der dezentralen Energieversorgung nutzen könnten, drohen strukturelle Herausforderungen den Fortschritt zu bremsen.

 

Sachsens Chancen: Tradition trifft Innovation

1. Biogas aus der Oberlausitz – Vom Kohlerevier zur Bioökonomie
Die im Koalitionsvertrag vorgesehene Förderung von Biogas trifft in Sachsen auf bestehende Strukturen:
• Über 150 landwirtschaftliche Biogasanlagen, wie die Anlage Rietschen, versorgen bereits heute Gemeinden mit grüner Wärme.
• Die sächsische „Bioökonomie-Strategie“ zielt darauf ab, Reststoffe aus der Land- und Forstwirtschaft verstärkt energetisch zu nutzen – ein Modell mit bundesweitem Vorbildcharakter. „Hier verbindet sich ländliche Tradition mit moderner Klimapolitik“, so Dr. Lena Hartmann, Energieexpertin des LEE Sachsen.
2. Solarboom mit sächsischer Technologie
Die geplante Solaroffensive des Bundes könnte Sachsens PV-Industrie stärken:
• Unternehmen wie Solarwatt (Dresden) und NexWafe (Freiberg) entwickeln hocheffiziente Solarmodule und Recyclingtechnologien.
• Pilotprojekte wie Agri-PV in Nossen zeigen, wie Landwirtschaft und Energieerzeugung symbiotisch genutzt werden können.
3. Wasserstoff-Lausitz: Vom Braunkohle- zum H2-Revier
Der Koalitionsvertrag setzt auf grünen Wasserstoff – ein Thema, das in der Lausitz bereits Fahrt aufnimmt:
• Der Energiepark Schwarze Pumpe testet die Integration von Wasserstoff in bestehende Industrie-Infrastrukturen.
• Die Wasserstoff-Allianz Mitteldeutschland vernetzt sächsische Forschungseinrichtungen wie das Fraunhofer IWU Chemnitz mit regionalen KMUs.
4. Energiegenossenschaften als Rückgrat der Dezentralität
Sachsen ist Heimat von über 30 Energiegenossenschaften, darunter die Energiegenossenschaft Leipzig, die Mieterstromprojekte in Plattenbauten realisiert. Der Koalitionsvertrag betont zwar die Rolle dezentraler Akteure, lässt aber konkrete Förderinstrumente vermissen.

Herausforderungen: Strukturschwäche und Bürokratie

1. Abwanderung vs. Energiewende
In Regionen wie dem Vogtland oder der Sächsischen Schweiz erschwert die demografische Schieflage den Ausbau erneuerbarer Infrastrukturen.
Beispiel: Die geplante Geothermie-Anlage in Bad Schlema stockt, weil Fachkräfte und Investoren fehlen.

2. Finanzierungslücken bei Kommunen
Obwohl der Koalitionsvertrag „klimagerechte Stadtentwicklung“ fordert, fehlen Mittel für:
• die Sanierung von Plattenbau-Wärmenetzen in Dresden-Gorbitz.
• die Umrüstung von Schwimmbädern wie dem Nordbad Leipzig auf Solarthermie.
3. Genehmigungsdilemma
Während der Koalitionsvertrag „beschleunigte Verfahren“ verspricht, dauert die Genehmigung einer Biomasse-Anlage im Erzgebirge derzeit bis zu 18 Monate – ein Hemmnis für die Wärmewende im ländlichen Raum.

 

Sachsen-spezifische Forderungen des LEE Sachsen
1. „Sächsischer Wärmefonds“
Ein Landesprogramm zur Finanzierung von Nahwärmenetzen in strukturschwachen Kommunen.
2. Forschungs-Offensive
Stärkung des CleanTech-Campus Freiberg für Wasserstoff- und Speichertechnologien.
3. Bürokratieabbau jetzt
Einführung eines „Energie-Beschleunigungsgesetzes“ für Sachsen, um Genehmigungen auf 6 Monate zu begrenzen.

 

Ambivalente Bilanz: Licht und Schatten
„Der Koalitionsvertrag erkennt die Bedeutung der Wärmewende und grüner Technologien an. Doch ohne sachsenspezifische Lösungen für Finanzierung, Bürokratie und den ländlichen Raum bleibt er Stückwerk“, resümiert Hartmann.

 


Der LEE Sachsen e. V. vertritt Unternehmen und Institutionen der Erneuerbare-Energien-Branche in Sachsen und setzt sich für eine klimaverträgliche, regionale Energieversorgung ein.

Statistischer Hintergrund: Sachsens Anteil erneuerbarer Energien (2023): 28 % am Bruttostromverbrauch (Bundesdurchschnitt: 46 %). Potenzial bis 2030: Laut sächsischem Energie- und Klimaprogramm könnte der Anteil auf 65 % steigen – vorausgesetzt, die Rahmenbedingungen stimmen.

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