Meine Reise letzte Woche nach China zur SNEC – der weltgrößten Photovoltaik-Messe in Shanghai – und in die Wüste Gobi beeindruckte mich in vielerlei Hinsicht.

Sowohl das Wachstum als auch die Innovationskraft der chinesischen Produktionskapazitäten nicht nur für Photovoltaik (PV), ebenso für Batterien, E-Mobilität, Wärmepumpen, Elektrolyseure und andere emissionsfreie Technologien ist – ausgehend von einem hohen Niveau – weiter atemberaubend. Die Begrünungsaktivitäten in den großen Städten und sogar Wüsten sind ebenfalls beeindruckend.

Eingeladen zu der Reise wurde ich vom Chefredakteur Sven Tetzlaff, Kathai Media & Consulting in Hangzhou. Als Deutscher berichtet und kümmert er sich um viele deutsch-chinesische Aktivitäten, nicht nur in der Wirtschaft der emissionsfreien Technologien, sondern auch in den Bereichen Politik und Kultur.

SNEC – das größte Schaufenster der PV – platzt aus allen Nähten

Die Messe in Shanghai platzte nach drei Jahren Corona-bedingter Abschottung Chinas aus allen Nähten. Auch wenn noch keine offiziellen Daten von der Messeleitung vorliegen, so wurden mir dennoch vorab erste Kennzahlen genannt. Am ersten Tag besuchten mehr als eine halbe Million Menschen die Messe. Etwa 3100 Aussteller füllten die Hallen und die zusätzlich aufgestellten Zelte auf dem riesigen Shanghaier Messegelände. Die Stände waren von den Besuchern stark umringt. Deutsche Firmen waren nur noch sehr wenige unter den Ausstellern.

Viele der großen und mittleren Firmen wie Trina, BYD, Dyness und andere demonstrierten, dass sie sich sehr um die PV-Integration in das gesamte Energiesystem kümmern. Die Verbindung mit Windkraft, Bioenergie, Speichern (wie Batterien oder grüner Wasserstoff) sowie die digitalisierte Sektorenkopplung mit Wärme, Kühlung, Verkehr und Energie für die Industrie standen im Mittelpunkt. Konzepte die ganze Häuser, Stadtteile, Regionen oder auch Firmen mit 100% Erneuerbaren Energien vollversorgen, waren oft in Modellen auf den Ständen zu sehen. Agri-Photovoltaik (Agri-PV) spielt eine zentrale Rolle. Die Verbindung mit der Landwirtschaft oder Begrünungen unter den Modulen hat in China große Bedeutung.

Ausbau der PV-Produktionskapazitäten sind kaum zu fassen

In Gesprächen mit Firmen und Verbandsvertretern staunte ich über die Ausbaugeschwindigkeiten der Produktionskapazitäten. Mitgeteilt wurde mir, dass die jährlichen PV-Produktionskapazitäten in China über alle Wertschöpfungsketten bis 2024 in den nächsten Jahren von rund 500 GW auf 1000 GW verdoppelt werden. Für 2026 sollen nochmals weitere 500 GW in der Planung zu sein.

Zum Vergleich: Die EU will in den kommenden drei Jahren gerade 30 GW neue Solarfabriken auf den Weg bringen.

Viele Einzelmeldungen lassen diese unglaubliche Größenordnung als plausibel erscheinen. Beispiel: Alleine Jinko Solar plant Produktionskapazitäten für 56 GW mit je 14 GW in vier Wertschöpfungsstufen.

Hohe Innovationskraft der chinesischen Firmen

Bei verschiedenen Firmenbesuchen und Gesprächen staunte ich, welche Ziele und Innovationen die Firmen haben. So z.B. Hytzer, die demnächst eine Festkörperbatterie auf den Markt bringen, die die Reichweiten von E-Autos auf etwa 1500 km erhöht und gleichzeitig nicht mehr brennen kann. Die Batterien können in den Rahmen der Autos eingebaut werden.

Oder die Firma Sun Harmonics: Mit hocheffizienten CIGS-Zellen entwickelten sie extrem dünne und flexible Module. Sie baut u.a. Straßenlaternen, deren runder Mast mit den flexiblen Modulen ummantelt ist. Im Mast sind die Batterien für die nächtliche Beleuchtung. In Hangzhou stehen bereits die ersten Straßenlampen. Geeignet sind die flexiblen und superleichten Module auch für Kleidung, geschwungene Dächer, Fassaden, Autokarosserien und alles Weitere, woran die üblichen festen und sperrigen Module nicht, oder nur schwer, angebracht werden können. Die Firma hat außerdem Mülltonnen mit PV-Deckel entwickelt, die einen Motor antreiben, der den Müll zusammenpresst, um das Überquellen zu vermeiden.

Der chinesische Binnenmarkt für PV wächst super schnell

Der Chinesische PV-Markt wächst ebenfalls superschnell. In diesem Jahr werden 100 GW neue Installationen erwartet. Das sind nicht nur riesige Gigawatt Freiflächenanlagen. Etwa 50 GW sind kleinere Anwendungen auf Dächern, Fassaden oder PV-überdachte Ladestationen für elektrische Zweiräder. Balkonmodule spielen in den großen Mietshäusern eine große Rolle. In Hangzhou muss sie der Balkonbesitzer nur kaufen, anbringen, in die Steckdose stecken und dem Netzbetreiber per Internet anzeigen. Oft wird dann sogar noch ein rücklaufender Zähler installiert. Unglaublich einfach und ohne Bürokratie, wenn man an den immer noch nicht ausgestandenen jahrelangen Kampf um den Bürokratieabbau von Steckermodulen in Deutschland denkt …

Wüstenbegrünungen mit riesigen PV-Freiflächenanlagen

Am spannendsten war meine Reise nach Baotou und Ordos, zwei Städte mit je gut zwei Millionen Einwohnern am Gelben Fluss in der Wüste Gobi, Innere Mongolei. Dort besuchte ich die 2,2 GW große PV-Anlage von SPIC, die einen Rekord im Guinnessbuch eingefahren hat. Nicht wegen der unvorstellbaren Größe, da gibt es sogar noch Größere, sondern weil sie das größte Kunstwerk der Welt geschaffen haben. Wegen farblicher Absetzung in den Modulen kann man aus dem Weltall oder hochfliegenden Flugzeugen ein Pferd erkennen. Pferde spielen in der Tradition der Mongolen eine große Rolle.

Am Standort der PV-Anlage war vor 10 Jahren noch unwirtliche Sandwüste. Der Aufbau der riesigen Anlage wurde mit Trackersystemen geschaffen, die Module werden also dem Sonnenstand nachgeführt. In allen Randbereichen werden Bäume gepflanzt und unter den Modulen Begrünungen angelegt. Nur in den ersten Jahren wird eine Bewässerung benötigt, danach wachsen die meisten Pflanzen ohne Bewässerung weiter. Sie beschatten den Boden gegenseitig und verhindern weitgehend stürmische Sandstaubentwicklungen. Der Schatten der Module unterstützt das Wachstum zusätzlich indem Restfeuchte im Boden geschont wird. Die Bewässerung kommt aus dem Grundwasser in 500 Meter Tiefe. Die Betreiber versicherten mir, dass der Grundwasserspiegel nicht absinke, also keine Übernutzung des Wassers stattfinde.

Unter den Bäumen in den Randbereichen finden sich auch ertragreiche Sorten wie Datteln und unter den Modulen wachsen niedrigere Büsche und Kräuter, z.B. ein in China sehr beliebtes Heilkraut, das mongolische Tragant, gehörend zur Familie Astragalus. In dieser Gegend der Inneren Mongolei auch Kubuqi-Wüste genannt, wurde insgesamt eine Fläche so groß wie Deutschland wieder aufgeforstet. Vieles auch schon ohne PV.

Die Betreiber sagten mir, dass es in den letzten Jahren sogar Zunahme von Regen gegeben hätte. Viele Wildtiere haben sich wieder unter den Modulen vermehrt.

Insgesamt also eine Erfolgsgeschichte dafür, was unser Planet unbedingt braucht: Null-Emissionen in der Energieerzeugung und Begrünungen als Kohlenstoffsenken sowie Biodiversitätserhöhung. Letztendlich wurden diese Begrünungen mit den Einnahmen aus dem PV-Stromverkauf ermöglicht. Ein großer Industriekomplex in Ordos wird nun weitgehend mit Strom aus dem PV-Park beliefert und nicht mehr vom örtlichen Kohlekraftwerk.

Die Städte in China sind sauber, sicher, ohne Straßenlärm und überall grün

Auch sonst machte ich eindrucksvolle Beobachtungen. In Hangzhou (ca. 12 Millionen Einwohner) konnte ich im Hotel an einer großen innerstädtischen Straße, mit starkem auch nächtlichem Verkehr, bei offenem Fenster schlafen. Kein Lärm von lauten Motorrädern oder Dieselbussen, gute Luft. Alle Zweiräder werden schon über ein Jahrzehnt elektrisch betrieben, lautlos teilen sie sich die großen, oft von den Straßen abgetrennten, Radwege mit den Radfahrern. Viele nutzen die Radwege in der Stadt sogar für ihren Radsport. Die Busse sind alle leise, weil elektrisch. Die Autos sind geschätzt schon etwa zu 40% elektrisch, die Taxen fast alle, zu erkennen an den grünen statt blauen Nummernschildern. Die U-Bahnen und Schnellzüge als Städteverbindungen sind in den letzten Jahren stark ausgebaut worden. Sie reduzieren den innerchinesischen Flugverkehr und Individualverkehr in den Städten. Der Autoverkehr ist mit hoher City-Maut und Parkgebühren belegt. E- Autos sind davon nur teilweise befreit. Viele Forderungen einer ökologischen Verkehrswende sind in Chinas großen Städten daher schon umgesetzt.

Alle Straßen sind üppig begrünt, mit großen Bäumen und herrlichen gepflegten Blumenrabatten. Jeder freie Platz wird begrünt. Überall pflegen GärtnerInnen, die einen fairen Mindestlohn bekommen.

In Shanghai (40 Millionen Einwohner) habe ich alles genauso gesehen: Grüne Stadt, saubere Luft, kein nennenswerter Straßenlärm. Kein Vergleich mehr zum Schmutz und Lärm den ich bei meiner ersten Shanghai-Reise 2002 erlebte.

In Baotou ist die E-Mobilität noch nicht soweit fortgeschritten: zwar sind auch alle Zweiräder elektrisch, aber es gibt noch kaum E-Autos. Dafür aber auch hier volles, üppiges Straßengrün und Bäume – und das obwohl Baotou in einer Wüstengegend liegt.

Auch die Digitalisierung hat das Leben voll durchdrungen. Ich war wohl ein seltener Exot aus einer rückschrittlichen Welt, der im Café seine Rechnungen sogar noch mit Bargeld bezahlte. Erstaunt hat meine chinesische Begleiterin mein Wechselgeld als Sehenswürdigkeit fotografiert, denn die schon 2019 eingeführten kleinen 1 Renminbi Münzen hatte sie noch nie gesehen.

Warum ist Deutschland nicht auf einem ähnlich steilen Wachstumskurs für eine ökologische Wirtschaft?

Wer wie ich erstmals um 2000 in China war und dort die bittere Armut, die Luftverschmutzung, den Schmutz und Lärm erlebt hatte und nun das sauber und wohlständige China in den großen Städten sieht und insbesondere das unglaublich steile Wachstum der sauberen Technologien, der kann nur staunen. Zumindest im bevölkerungsreichen Osten des Landes.

Da kommt die Frage auf, warum wir in Deutschland immer noch Luftverschmutzung und Straßenlärm durch Verbrennungsmotoren, laute Motorräder, keine neuen Schnellbahnen zwischen den großen Städten (die den inneren Flugverkehr reduzieren), keine Solarfabriken und sterbende Wälder haben? Warum wird die Schere zwischen Arm und Reich immer größer und warum gleiten immer mehr Menschen in bittere Armut ab?

Der rasante Aufbau der chinesischen Cleantech-Industrie vollzog sich in den letzten 20 Jahren just genau in dem Zeitraum, in welchem Deutschland unter der Union von Kanzlerin Merkel regiert wurde. Genau in diese Zeit des chinesischen Ausbaus fiel der Niedergang der deutschen Solarwirtschaft. Nicht nur ich warnte im Bundestag, dass der politisch verordnete Einbruch der deutschen Solarwirtschaft zum Verlust der Technologieführerschaft Deutschlands in diesem Bereich führen wird. Doch genau das ist passiert.

Es gab auch einen großen erfolgreichen Rechtsstaatsdialog zwischen Deutschland und China. In meiner Bundestagszeit war ich ebenfalls daran beteiligt. China hatte vom deutschen Rechtssystem Einiges übernommen, unter anderem das EEG. In Deutschland wurde das EEG unter Merkel, Gabriel, Rösler, Altmaier unter anderem mit der Umstellung auf Ausschreibungen in seiner Wirksamkeit massiv beschnitten. In China wurden die positiven Grundelemente der festen Einspeisevergütung hingegen beibehalten, bis sie sich in Teilbereichen, z.B. für die riesigen Freiflächenanlagen, von selbst im Strommarkt behaupten konnten.

Daher glaube ich, dass wir in Deutschland auch Einiges aus China lernen können, insbesondere wie man Ökologie und Armutsbekämpfung vorantreiben kann.

Natürlich bin ich ein Verfechter der freiheitlichen Demokratie und nicht eines kommunistischen, diktatorischen Regimes wie in China. Die persönliche Freiheit und die Achtung der Menschenrechte sind für mich höchste Güter.

Aber was nützt uns das Abgleiten Europas in immer mehr konservative, populistische und Rechtsaußenpolitik, womit gleichzeitig Klimaschutz, eine schnell wachsende saubere Industrie, eine Verkehrswende verhindert werden? Am Ende kann Europa wirtschaftlich nicht mehr mit China mithalten und wir werden alle gemeinsam auf diesem Planeten zunehmend unter den Katastrophen der Erdaufheizung leiden.

Insbesondere unsere Wirtschaftsbosse aus der fossilen Industrie, aber auch Politiker aus Union und FDP, sollten schnell nach China reisen und lernen, wie man die für den Klimaschutz absolut notwendigen Nullemissionstechnologien wirtschaftlich hochzieht, statt sie hier mit Attacken auf Heizungen mit Erneuerbaren Energien, E-Mobile und Ökostromanlagen zu bekämpfen. Schnell ist dafür absolut notwendig. Das atemberaubende Wachstum der chinesischen Cleantech-Konzerne wird es der heimischen Wirtschaft –dominiert von fossilen Konzernen wie Siemens, VW, BASF, RWE und Co. – sehr schwer machen. Neue chinesische Unternehmen übernehmen rasant die Führerschaft in den emissionsfreien Technologien, insbesondere in den Bereichen Stromerzeugung, Verkehr, Heizungen, Speicher, Digitalisierung, Maschinenbau und Landwirtschaft. Deutsche Konzerne werden wohl bald im globalen Spiel der Wirtschaft weiter massiv an Bedeutung verlieren.

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