Am letzten Freitag wurden die Kühltürme des Atomkraftwerks Grafenrheinfeld gesprengt.
Nachdem der Reaktor schon 2015 stillgelegt wurde, geht der Rückbau langsam aber stetig weiter.
Ein Pro-Atomaktivist hatte mit einer Störaktion die Sprengung verhindern wollen. Nach einem großen Polizeieinsatz wurde dann die Sprengung gut anderthalb Stunden später erfolgreich durchgeführt.
Der Aktionskreis Antiatom in Schweinfurt hatte zu einem Antiatom Picknick geladen.
Neben tausenden Schaulustigen waren viele gekommen, die zum Teil seit über 50 Jahren gegen den Bau und Betrieb des AKW protestierten. Wir feierten, dass das Atomkraftwerk längst keinen Atommüll mehr erzeugt und auch keine Supergaugefahr mehr darstellt. Alle sind aber von der Sorge getrieben, dass der Atommüll im Zwischenlager Grafenrheinfeld immer noch keinem Atommüllendlager überführt werden konnte – was es wohl auch bis in die 2070er Jahren nicht geben wird. Damit bleibt eine regionale Gefahr mit einem atomaren Unfall im Zwischenlager noch viel zu lange bestehen.
Das AKW ist zwar Geschichte, aber der Atommüll wird die nachfolgenden Generationen noch Jahrtausende belasten.
Lesen Sie nachfolgend meine Rede beim Atompicknick:
Liebe Anti-Atom-Freundinnen und -Freunde,
es ist ein Meilenstein, dass heute die Kühltürme des AKW Grafenrheinfeld gesprengt werden.
Ein sichtbares Zeichen dafür, dass die Atomenergie hier, wie auch in ganz Deutschland, endgültig Geschichte ist.
Es gibt einige unter uns, die es lieber gesehen hätten, dass die Kühltürme als mahnendes Beispiel stehen geblieben wären. Ich gehöre dazu. In den letzten Jahren seit der Abschaltung habe ich mehrere Fernseh- und Filmteams, vor allem aus Atomenergieländern wie Japan, Korea und anderen, auf die Höhen in der Umgebung geführt, von wo aus man einen guten Blick auf die stillgelegten Kühltürme hatte. Gleichzeitig konnte man von dort aus viele Windkraft-, Photovoltaik- und Biogasanlagen sehen. So wurde auch optisch eindrucksvoll dokumentiert, dass der Ökostrom in Deutschland längst die Atomkraftwerke ersetzt hat.
Die Lichter sind ja nicht ausgegangen, wovor die Atomwirtschaft immer gewarnt hatte, wenn die AKWs abgeschaltet werden. Im Gegenteil: Deutschland verfügt heute über eine der sichersten Stromversorgungen weltweit – und das dank des hohen Anteils Erneuerbarer Energien. 57% Ökostrom waren im ersten Halbjahr 2024 im Netz. Im Juli waren es sogar 69 %.
Der Ausbau der Erneuerbaren Energien geht nach 10 Jahren Rückschritt unter den Merkel-Regierungen endlich wieder beschleunigt weiter, so dass wir bereits um 2030 mit 100% Ökostrom rechnen können. Die Atomenergie wird daher nie wieder zurückkehren, entgegen dem, was Nuklearia noch vor wenigen Tagen auf die Kühltürme projizierte.
Die Atomfreunde um Nuklearia, in der CSU, bei der FDP und der AfD wollen einfach nicht zur Kenntnis nehmen, dass es eben keine Atomrenaissance in der Welt gibt.
Umfangreiche wissenschaftliche Analysen belegen eindeutig: Atomenergie ist im Vergleich zu Erneuerbaren Energien viel zu teuer, ihr Bau dauert meist mit einigen Jahrzehnten viel zu lange, und die Risiken bleiben weiterhin unbeherrschbar.
Wie groß die Risiken sind, können wir aktuell am russischen Atomkraftwerk Kursk sehen.
Da sich der furchtbare Krieg nun auch auf russisches Gebiet ausgeweitet hat, kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Atomkraftwerk Kursk in den Kriegswirren angegriffen wird und ein Super-GAU droht – mit einer radioaktiven Verseuchung ganzer Landstriche, wie nach der Katastrophe von Tschernobyl. Auch in der Ukraine, insbesondere in Saporischschja, besteht weiterhin diese Gefahr, wie der kürzliche Brand an den Kühltürmen gezeigt hat.
Schon vor dem Bau des Kraftwerks Grafenrheinfeld haben wir davor gewarnt, dass der Bau von Atomkraftwerken unverantwortbar ist.
Denn Kriege können nie ausgeschlossen werden, und dann werden AKWs zu einer zusätzlichen Bedrohung. Jetzt ist es in Russland und der Ukraine soweit.
Doch auch abseits von Kriegen verursachen Atomkraftwerke Schäden. Sie benötigen große Wassermengen zur Kühlung – Wasser, das aufgrund der Klimakrise auch bei uns am Main immer knapper und kostbarer wird.
Aktuell sehen wir in Frankreich wieder, wie Hitze das Flusswasser aufheizt, weshalb Atomkraftwerke gedrosselt oder gar abgeschaltet werden müssen – wie die Kernkraftwerke Bugey, St. Alban und Tricastin an der Rhône sowie das Kraftwerk Golfech an der Garonne.
Von wegen gesicherte Leistung durch Atomkraft. Ohne die starke Solar- und Windstromerzeugung Deutschlands hätte Frankreich aktuell, wie schon 2022, größte Probleme, die Stromversorgungssicherheit aufrechtzuerhalten.
Doch wer denkt, mit dem Abschalten von Grafenrheinfeld sei das Wasserproblem gelöst, irrt sich. Auch das stillgelegte AKW benötigt weiterhin große Mengen Wasser, unter anderem zur Kühlung des Atommülls im Zwischenlager, auch wenn der Bedarf jetzt deutlich reduziert ist. Im Betrieb wurden in den Kühltürmen jede Sekunde 1 cbm Wasser verdunstet.
Nach dem Abschalten wurden im Jahr 2021 immer noch 20 Millionen cbm Wasser entnommen. Auch wenn dieses Wasser nun dem Main wieder zugeführt wird, heizt es den Fluss auf, was in heißen Sommern die Fischfauna erheblich belastet.
Die Wasserentnahme ist jedoch nur ein relativ kleines Übel, das das AKW auch nach der Stilllegung noch lange Jahre verursacht. Weit gravierender ist die höchst problematische Lagerung des Atommülls im Zwischenlager.
Es zeigt sich, dass alleine wegen der ungelösten Frage der Endlagerung dieses und alle anderen Atomkraftwerke nicht hätten gebaut werden dürfen.
Manche sprechen inzwischen von der ewigen Endlagersuche.
Ein aktueller Bericht des Ökoinstituts offenbart in der Tat erschreckende Fakten: Die Endlagersuche in Deutschland verzögert sich massiv. Laut Gesetz sollte die Entscheidung für ein Endlager im Jahr 2031 fallen. Der Bericht zeigt jedoch, dass diese Entscheidung wohl erst 2068 getroffen werden kann. Man beachte: Das Zwischenlager Grafenrheinfeld hat nur eine Genehmigung bis 2046.
Da zeigt sich das Problem des Atommülles in aller Schärfe: Die 1750 Castorbehälter Deutschlands in den Zwischenlagern, wie auch hier in Grafenrheinfeld, sind gar nicht für solche lange Lagerzeiten konzipiert.
Die Zwischenlager können gar nicht als Endlager umdefiniert werden. Doch wohin dann mit dem Atommüll? Ein Endlager ist in weiter Ferne! Niemand hat eine Antwort darauf.
Es ist gut, und ich bin euch vom Anti-Aktionsbündnis in Schweinfurt dankbar, dass ihr gesagt habt, weiterhin achtsam zu sein, was den Standort Grafenrheinfeld betrifft. Das wird dringend nötig sein, denn wie wir wissen, muss man der Atomwirtschaft immer genau auf die Finger schauen. Viel zu große Gefährdungen muten sie der Bevölkerung auch weiterhin zu. Und marode Zwischenlager stellen in der Tat eine hohe Gefahr für mögliche radioaktive Verseuchungen der Umgebung bei Unfällen dar.
Liebe Freundinnen und Freunde, es wäre besser gewesen, wenn die Politik der CSU unter Franz Josef Strauß auf uns gehört und es ernst genommen hätte, was wir in den 70er- und 80er-Jahren gefordert haben: keinen Bau von Atomkraft, da auch die Atommüllfrage ungeklärt ist. Doch die Staatsregierung hat uns Atomkraftgegner in Wackersdorf lieber niedergeknüppelt – ich weiß wovon ich rede, denn ich war damals wie viele von euch Älteren hier auch vor Ort dabei.
Hätte die CSU damals auf uns gehört, hätten wir heute keinen Atommüll, der tausende Jahre radioaktiv strahlt und von dem wir noch lange nicht wissen, wohin damit und welche Milliardenbeträge die Entsorgung den kommenden Generationen kosten wird.
Gut ist, dass die AKWs in Deutschland alle abgeschaltet sind – auch um keinen weiteren Atommüll zu produzieren. Ein schales Gefühl bleibt jedoch, weil die Altlasten der Atomwirtschaft alle Generationen nach uns hoch belasten werden.
Daher braucht es weiterhin die kritische Beobachtung der Atomwirtschaft und den Druck aus der Zivilgesellschaft. Gut wäre, wenn auch jüngere Generationen hier ihre Zeit einbringen könnten. Denn die Atommüllprobleme werden noch da sein, wenn wir aus der ersten Generation der Anti-Atom-Bewegung längst unter der Erde liegen.
Lasst uns also alle gemeinsam weiter den Anti-Atom-Widerstand aufrechterhalten.
Quelle: Read More