Die Vereinbarungen der Wachstumsinitiative der Ampelkoalition zur Veränderung des EEG werden dem Ausbau der Erneuerbaren Energien erheblichen Schaden zufügen – Hans-Josef Fell – Botschafter für 100% Erneuerbare Energien

In der Wachstumsinitiative der Ampelkoalition werden 49 Projekte angegangen, um die Wirtschaft insgesamt anzukurbeln.

Nicht alle diese Maßnahmen werden jedoch zu einem Wachstum im wichtigen Bereich der Erneuerbaren Energien führen; in einigen Bereichen wird es sogar zu einem deutlichen Rückgang kommen.

Gerade erst hatte die Ampelkoalition unter Wirtschaftsminister Habeck es geschafft, den Rückgang des Ausbaus unter Kanzlerin Merkel umzukehren und die Erneuerbaren Energien, insbesondere die Photovoltaik, wieder auf einen deutlichen Wachstumskurs zu bringen. Doch nun gibt es, auf Betreiben der FDP, Vorschläge, die einen erneuten massiven Rückgang befürchten lassen.

Zwei drohende Veränderungen möchte ich hervorheben und näher beleuchten: Die Umstellung auf Investitionsförderung und die verpflichtende Direktvermarktung für das PV-Segment von 25 bis 100 kWp.

Weitere und tiefer gehende Analysen dazu können Sie auch im Video-Interview mit Frank Farenski in „Leben mit der Energiewende“ ab Minute 40 nachhören:

PV-Förderung für mittlere Dachanlagen:

Auf Seite 27 der Wachstumsinitiative heißt es:

„Kurzfristig werden wir die Förderung bei negativen Preisen für Neuanlagen grundsätzlich bereits ab dem 1. Januar 2025 aussetzen (ausgenommen kleine Anlagen, da nicht administrierbar) und die Schwelle, ab der die Erneuerbaren Energien ihren Strom selbst vermarkten, beginnend ab dem 1. Januar 2025 in drei Jahresschritten auf 25 KW absenken“

Auf Druck der FDP wurde diese Absenkung der Direktvermarktungsgrenze für PV-Anlagen in 3 Stufen von 100 KWp auf 25 kWp beschlossen. Dies bedroht den Zubau im Segment von PV-Anlagen in Landwirtschaft sowie im kleineren bis mittleren Gewerbe. Die “Direktvermarktung” im EEG ist keine echte marktwirtschaftliche Vermarktung, sondern ein kompliziertes Konstrukt, das im Wesentlichen auf die gleiche Vergütung hinausläuft wie die feste Einspeisevergütung, die bisher bis zu einer Größe von 100 kWp galt. Allerdings ist die Direktvermarktung technisch aufwendiger und organisatorisch deutlich komplizierter, was zu einer erheblichen Bürokratie führt, die die Investitionen in diesem Segment weitgehend zum Erliegen bringen könnte.

Aufgrund der Komplexität der Direktvermarktung sind die Kosten ebenfalls hoch. Ein befreundeter Solarinstallateur hat kürzlich bei mehreren namhaften Direktvermarktungsanbietern recherchiert und mir berichtet, dass die Gebühren bei mindestens 3.000 Euro pro Jahr liegen – auch für kleinere Anlagen. Im Verhältnis zu den Einnahmen bei einer 100-kWp-Anlage mit Volleinspeisung, die etwa 10.000 Euro pro Jahr betragen, machen diese Gebühren 30 % der Einnahmen aus. Der Direktvermarktungszwang und die damit verbundenen hohen Gebühren führen bereits bei Anlagen über 100 kWp zu einer deutlichen Verringerung der Wirtschaftlichkeit. Bei Anlagen im Bereich von 25 bis 100 kWp wären diese Kosten vollkommen unverhältnismäßig.

Die Übertragung des Direktvermarktungszwangs auf das Segment 25 bis 100 kWp würde daher auch aus Kostengründen, aber vor allem wegen der bürokratischen Aufwands, viele Investitionen zunichtemachen. Anlagen in diesem Bereich werden meist von Landwirten und kleineren Gewerbetreibenden gebaut, die durch die komplizierte Direktvermarktung abgeschreckt werden.

Eigentlich will die Koalition mit der Wachstumsinitiative Bürokratie abbauen – hier wird jedoch erst einmal das Gegenteil erreicht.

Das Problem ist in der Koalition bekannt. In der Wachstumsinitiative heißt es dazu: „Zu diesem Zweck werden wir die Selbstvermarktung von Strom und die Steuerung der Anlagen konsequent entbürokratisieren, digitalisieren und spätestens zum 1. Januar 2026 massengeschäftstauglich ausgestalten“. Angesichts der grundsätzlichen Komplexität der Direktvermarktung mit zeitvariablen Börsenpreisen muss bezweifelt werden, ob eine wesentliche Vereinfachung gelingen wird. Sollte dies tatsächlich erfolgreich sein, könnte man in einem zweiten Schritt über eine Ausweitung der Direktvermarktungspflicht nachdenken.

Aber in der Wachstumsinitiative ist leider eine völlig verkehrte Reihenfolge vorgesehen: Bereits ab 1.1.25 soll im ersten Schritt die Direktvermarktungsgrenze abgesenkt werden, aber erst spätestens zum 1.1.26 die Direktvermarktung massengeschäftstauglich gestaltet werden. Dies bedeutet, dass zunächst dieses Marktsegment zusammenbricht und hinterher wieder versucht werden soll, das zu korrigieren.

Am besten wäre es, wenn die Ampelkoalition diesen Vorschlag komplett fallen ließe. Zumindest aber sollte im parlamentarischen Verfahren, nach entsprechendem Rat der zu hörenden Sachverständigen, eine sinnvolle zeitliche Reihenfolge festgelegt werden: Zuerst sollte die Direktvermarktung massengeschäftstauglich gestaltet werden. Anschließend müsste evaluiert werden, ob dies erfolgreich war und vom Markt angenommen wird. Erst dann und nur dann sollte eine Absenkung der Direktvermarktungsgrenze erfolgen.

Die Umstellung auf Investitionszuschüsse statt Einspeisevergütungen wird in allen Sektoren der Erneuerbaren Energien zu Einbrüchen führen

Die größte Bedrohung für den Ausbau der Erneuerbaren Energien steht in folgender Passage der Wachstumsinitiative auf S. 27:

„Mit dem Ende der Kohleverstromung wird die Förderung der Erneuerbaren Energien auslaufen. Der Ausbau neuer EE soll auf Investitionskostenförderung umgestellt werden, insbesondere um Preissignale verzerrungsfrei wirken zu lassen.“

Aktuell bedenklich ist dabei, dass die Umstellung bereits kurzfristig in einem sogenannten Reallabor ausprobiert werden soll, was den Weg in eine falsche Richtung ebnet.

Die prinzipielle Umstellung auf Investitionsförderung wird den Ausbau der Erneuerbaren Energien drastisch einschränken.

Es sind eine Vielzahl von strategischen Überlegungen, die mit der Umstellung auf Investitionsförderung einem beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien diametral entgegen stehen:

Ein Ende der EEG-Förderung ist mit dem Ausstieg aus der Kohleverstro­mung anstatt mit dem Erreichen einer CO2-freien Stromversorgung anvisiert. Dadurch bleibt das höchst klimaschädliche Erdgas weiter im Markt. Nach wel­chem Mecha­nis­­mus nach 2038 der weitere Ausbau der erneuerbaren Stromversorgung für das Ablösen von Erdgaskraftwerken sowie für die wachsende Anzahl von Elektroautos und Wärmepumpen erfolgen soll, wird offengelassen.
Ohne stichhaltige Begründung soll von einem bewährten Instrument (Einspeisevergütung) zu einem nicht bewährten Instrument (Investitionszuschüsse) gewechselt werden, welches in der Vergangenheit schon vielfach seine Untauglichkeit bewiesen hat:

Die Investitionsförderungen haben den Effekt, dass alle staatlichen Fördermittel gleich im ersten Betriebsjahr der Anlagen anfallen und damit den Staatshaushalt sehr stark belasten. Dagegen sind im bestehenden EEG die Fördermittel erst im Verlauf von 20 Jahren aufzubringen. Das ist eine sehr geschickte Ausnutzung privater Investitionen und Kredite. Dagegen muss bei Investitionsförderung der Staat vorfinanzieren. Diese hohen staatlichen Ausgaben werden in jeder jährlichen Haushaltsberatung dazu führen, dass angesichts klammer staatlicher Kassen (Schuldenbremse) viel zu geringe Haushaltsmittel bereitgestellt werden, womit die Klimaschutzziele nicht erreicht werden können.
Die Steuergelder für die Investitionszuschüsse werden jedes Jahr in den Haushaltsberatungen des Bundes festgelegt. Sie sind beschränkt und werden meist aus Gründen der Sparsamkeit niedrig gehalten. Daher wirken direkte Zuschüsse immer wie Ausbaudeckel: Wenn das Geld aufgebraucht ist, wird keine Förderung mehr gewährt. Der Ausbau bricht zusammen und wird bestenfalls ins nächste Jahr verschoben.
Volkswirtschaftlich erscheint das nicht sinnvoll: Die bisherige relativ zuverläs­sige Vollfinanzierung von Investitionen, Kapital­dienst und Betriebskosten mittels gesetzlicher Einspeisevergütung soll durch eine unklare Teilfinanzierung ersetzt werden. Damit steigen die finanziellen Risiken der Anbie­ter, was die Banken zu einem teureren Kapitaldient zwingen wird. Dies führt einerseits zu höheren Preisen und andererseits zu weniger Kapital und damit zu weniger Ausbautempo.
Alle Erfahrungen mit Investitionszuschüssen zeigen einen höchst schädlichen Einfluss auf das Marktgeschehen. Wenn die etadierten Haushaltsmittel unter dem Jahr schon ausgegeben sind, dann werden die Investitionen sofort gestoppt, in der Hoffnung, im nächsten Jahr eine Fördermittelzuteilung zu bekommen. Dieses Stop-and-Go schadet Installateuren und Technikproduzenten, führt zu einem geringen Ausbau der Erneuerbaren Energien und zu Marktverwerfungen bis hin zu Insolvenzen. Es gibt zahllose Beispiele hierfür in ganz Europa.
Investitionszuschüsse müssen vom Wirtschaftsministerium an klare, umfassende Vorgaben geknüpft und die Ausgaben auf sachgemäße Verwendung überprüft werden. Dies erhöht den ohnehin schon viel zu hohen Bürokratieaufwand weiter massiv.
Investitionszuschüsse werden im Voraus ausgezahlt. Damit entfallen Anreize, die Anlagen langfristig in Betrieb zu halten und tatsächlich damit Strom zu erzeugen oder Flexibilitäten im Strommarkt zu nutzen. Es müssen also Sanktionen (Pönalen) angedroht werden, was die Finanzierung der Anlagen weiter verteuert und die Bürokratie weiter erhöht.

Der Eindruck entsteht, dass hier ohne Not Risiken für die Volkswirtschaft, den Bundeshaushalt und das Ausbautempo der steuerbaren Kapazitäten geschaffen werden. Unter dem politischen Schlagwort „Mehr Marktwirtschaft“ wird das glatte Gegenteil erreicht: eine zunehmende bürokratische Gängelung und eine weitere Schrumpfung des geförderten Marktes für Erneuerbare Energien.

Historische Beispiele für die viel zu geringe Wirksamkeit der Investitionsförderung:

Beispiele für das Nichtfunktionieren der Investitionszuschüsse habe ich in meinem Politikerleben zu Hauf erlebt.

Das Marktanreizprogramm für Wärme aus Erneuerbaren Energien aus Anfang der Nuller Jahre, z.B. für thermische Solarkollektoren, ist immer nur mit Investitionszuschüssen gespeist worden. Fast jedes Jahr waren die Haushaltsmittel lange vor dem Ende des Haushaltsjahres aufgebraucht, und die Investitionen wurden für den Rest des Jahres gestoppt.

Das schlimme Ergebnis sehen wir noch heute:

Der Anteil Erneuerbarer Wärme im Heizungssektor in Deutschland ist bis heute unter 20 % geblieben.

In Österreich wurden jahrelang Investitionszuschüsse für die PV-Dachanlagen gewährt.

Beispielsweise waren im Jahr 2018 die Fördermittel von 4,5 Millionen Euro bereits nach drei Monaten aufgebraucht.

Da Österreich viele Jahre in diesem PV-Segment eine Investitionsförderung gewährte, liegt die pro Kopf installierte PV-Leistung in Österreich weit hinter Deutschland zurück.

Erst in den letzten Jahren, unter der grünen Ministerin Gewessler, hat Österreich erheblich aufgeholt, insbesondere durch die Umsetzung der Energy-Sharing-Richtlinie der EU, die jedoch erneut in der Wachstumsinitiative der Ampelkoalition fehlt. Immerhin liegt aber seit Kurzem endlich ein Referentenentwurf des Wirtschaftsministeriums vor.

Ein besonders krasses Beispiel für eine fehlgeleitete Investitionsförderung war das Wallbox-Programm für private Ladestationen von Minister Wissing im September 2023. Innerhalb eines Tages war ein großer Teil der 500 Millionen Euro schweren Förderung bereits weitgehend ausgeschöpft und wurde sofort wieder eingestellt.

Ein Strohfeuer ohne nachhaltige Entwicklung, insbesondere auch für bidirektionales Laden, das damit ja unterstützt werden sollte. Seitdem gibt es weiterhin keine Unterstützung durch die Ampelkoalition für die dringend erforderliche Markteinführung des bidirektionalen Ladens.

Fazit: Die Umstellung von der Einspeisevergütung auf Investitionszuschüsse wird zu einem massiven Einbruch im gerade gestärkten Ausbau der Erneuerbaren Energien führen. Der Klimaschutz wird erneut unter die Räder kommen.

Die Wachstumsinitiative ist noch kein Gesetz

Diese Wachstumsinitiative der Ampelkoalition hat bisher nur den Charakter einer Absichtserklärung. Die Umsetzung in verbindliche Gesetze liegt noch in der Zukunft. Zunächst werden zu den Einzelpunkten Referentenentwürfe der Ministerien vorgelegt, die dann noch im Bundestag verhandelt und beschlossen werden müssen. Es bleibt also noch Zeit, auf die oben dargelegten drohenden Verschlechterungen hinzuweisen und so hoffentlich die Umstellung der EEG-Förderung auf Investionskostenzuschüsse zu verhindern.

Klar ist jedoch auch: Für den Bau ungeförderter Anlagen wird eine entsprechende Umstellung keine Auswirkungen haben. Wer also im Privathaus oder im Gewerbebetrieb einen hohen Anteil seines Stromverbrauchs durch Eigenerzeugung mit Erneuerbaren Energien abdecken möchte, wird wie bisher keinerlei Einbußen mit einem entsprechenden Förderwechsel haben. Auch wer den Strom beispielsweise aus einem kommunalen oder bürgerlichen Windpark direkt mit privatrechtlichen Stromlieferverträgen (PPA-Verträgen) vermarktet, bleibt vom Förderwechsel unberührt.

Dennoch gilt es, sich politisch gegen den geplanten Förderwechsel einzusetzen, denn ein großer Teil der Investitionen in Erneuerbare Energien ist weiterhin auf Förderungen angewiesen. Um den für 2030 erforderlichen Umstieg auf eine nachhaltige Energieversorgung zu schaffen, ist eine funktionierende Förderung weiterhin erforderlich.

Quelle: Read More

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