Schleswig-Holstein setzt neuen Standard für Antikollisionssysteme

Der veröffentlichte Prüfrahmen für die Zulassung von Anti-Kollisionssystemen schafft Möglichkeit zu Harmonisierung von Windenergie und Artenschutz – Wann ziehen Sachsen und andere Bundesländer nach?

Schleswig-Holstein hat mit der Einführung des bundesweit ersten “Prüfrahmens für Antikollisionssysteme“ an Windenergieanlagen (WEA) einen entscheidenden Schritt in Richtung einer zukunftsweisenden Harmonisierung von Artenschutz und Energieerzeugung unternommen. Diese nun landesweit gültigen Mindestanforderungen an die Entwicklung, Validierung und Prüfung der Antikollisionssysteme zum Anhalten der Windenergieanlagen bei Vogelanflug erlaubt es Betreibern, innovative Technologien zur Kollisionsvermeidung effizient zu erproben und bei positivem Nachweis in den Regelbetrieb zu integrieren. Daneben enthält der Prüfrahmen auch Anforderungen an Dokumentation, Qualitätsmanagement und Betriebsphase.

Antikollisionssysteme: Technologische Innovationen zur Kollisionsvermeidung

Antikollisionssysteme (AKS) sind Systeme, die in der Lage sind am WEA-Standort bestimmte Zielvogelarten, insbesondere Groß- und Greifvögel, in Echtzeit automatisch zu erkennen und beim Eintritt des Vogels in den Reaktionsbereich den Betrieb der jeweiligen WEA abzuregeln. Diese nutzen Künstliche Intelligenz und andere Technologien wie Radarsysteme, Kameras und Sensoren und reduzieren durch die intelligente Steuerung das Risiko für die Tierwelt erheblich und ermöglicht gleichzeitig eine maximale Ausnutzung der Anlagenkapazität.

Der Prüfrahmen ASK: Die Vollzugshilfe für Schleswig-Holstein und auch bald bundesweit?

Die AKS wurden im 2022 novellierten Bundesnaturschutzgesetz (Anlage 1 zu § 45b Absatz 1-5 BNatSchG) als fachlich anerkannte Schutzmaßnahme für Brutvögel aufgenommen, jedoch fehlte es bislang klaren Vollzugshilfen und Verfahrensanweisungen, welche die Vorgaben des Bundesnaturschutzgesetzes zu AKS für die Genehmigungspraxis aufbereiteten. In Schleswig-Holstein wird das Landesamt für Umwelt nun den Prüfrahmen AKS als Vollzugshilfe in den Genehmigungsverfahren für Windenergieanlagen an Land anwenden. Damit auf Basis des veröffentlichten Prüfrahmens auch außerhalb von Schleswig-Holstein Antikollisionssysteme als Schutzmaßnahme bei der Zulassung festgelegt werden können, wurde der Prüfrahmen auch als Fachkonventionsvorschlag veröffentlicht und auf der Webseite des Ministeriums allen Interessierten zur Anwendung zur Verfügung gestellt.

Potenzial für eine optimierten Anlagenbetrieb und Erleichterungen im Genehmigungsprozess

Die Einführung eines solchen Prüfrahmens kann dazu beitragen, Genehmigungsprozesse zu vereinfachen und die Nutzung der bislang wenig genutzten ASK effizienter zu gestalten. Die Schaffung eines klaren Prüfrahmens, bietet die Grundlage für flexiblere Betriebszeiten, die auf den tatsächlichen Bedarf und das Kollisionsrisiko abgestimmt sind und steigert auch die Wirtschaftlichkeit der Windenergieanlagen ohne den Schutz der Vögel außer Acht zu lassen.

Für Projektierer, Betreiber von Windenergieanlagen und Hersteller von Antikollisionssystemen bietet der neue Prüfrahmen die Möglichkeit, diese Technologien gezielt zur Optimierung der Anlagenverfügbarkeit und Energieproduktion einzusetzen. Der Einsatz von Antikollisionssystemen ermöglicht es, die bisherigen starren und pauschalen Abschaltzeiten, die oft in Nebenbestimmungen festgelegt sind, signifikant zu reduzieren. Dies würde nicht nur zu einer effizienteren Nutzung des Potenzials jeder einzelnen Windenergieanlage führen, sondern leistet gleichzeitig einen bedeutenden Beitrag zum Artenschutz.

Ein Appell an Sachsen: Chancen nutzen und Innovationskraft stärken

Der Prüfrahmen, der sowohl von der Energiewirtschaft als auch von Naturschutzverbänden erarbeitet wurde, sollte bundesweit als Vorbild für die Genehmigungsverfahren von Windenergieanlagen gesehen werden. Alle anderen Bundesländer, insbesondere auch unser sächsischer Gesetzgeber, sind aufgerufen, dem Beispiel Schleswig-Holsteins zu folgen und entweder den vorliegenden oder einen eigenen Prüfrahmen für Anti-Kollisionssysteme zu etablieren. Dies würde nicht nur den Artenschutz stärken, sondern auch gerade den Ausbau der Windenergie nachhaltig fördern, indem die Betriebszeiten der Anlagen optimiert und die vielfältigen Nebenbestimmungen zu Abschaltzeiten minimiert werden.

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Photovoltaik – OVG Lüneburg stoppt Multimegawatt-Park

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat den vorhabenbezogenen Bebauungsplan (VEP) außer Vollzug gesetzt und interessante Aussagen zu den Anforderungen an die Bestimmtheit von VEP getätigt.

Diese Entscheidung erging unabhängig vom Vortrag des klagenden niedersächsischen NABU und erinnert in frappierender Weise an die ersten Verhinderungsargumentationen, die seit 2003 bundesweit für einen bloß schleppenden Ausbau der Windenergie gesorgt haben und erst seit Beginn der „Ampelkoalition“ langsam enden.

Der 1. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts hat den vorhabenbezogenen Bebauungsplan „Solarpark Tiste“ vorläufig außer Vollzug gesetzt (Az.: 1 MN 161/23), weil er das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigt sieht und die Funktion als Lebensraum für zum Teil stark gefährdete Brut- und Rastvögel nicht ausreichend durch Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen gesichert sei.

Der Sachverhalt: Multimegawatt-Solarpark in Wiesenvogelschutzprojekt

Gegenstand des vorhabenbezogenen Bebauungsplans ist die Errichtung eines Solarparks mit einer Größe von ca. 2,5 x 0,3 km und einer Leistung von über 50 MW in der freien Landschaft. Das Plangebiet liegt im Bereich eines Wiesenvogelschutzprojektes, das insbesondere dem Schutz des gefährdeten Großen Brachvogels dienen soll, und sei aufgrund der flachen, von Acker- und Grünlandnutzung geprägten Offenlandschaft weithin einsehbar.

Der Naturschutzbund Deutschland, Landesverband Niedersachsen, hatte deshalb eingewandt, dass die Auswirkungen des Solarparks auf Natur und Landschaft, insbesondere auf Brut- und Rastvögel, nicht ausreichend ermittelt bzw. ausgeglichen worden seien. Die Fläche sei aufgrund ihrer Bedeutung für den Vogelschutz insgesamt für einen Solarpark ungeeignet.

OVG Lüneburg: Beispielhafte Formulierungen in VEP zu unbestimmt

Wie das OVG Lüneburg nun entschieden hat, sei der Vorhaben- und Erschließungsplan (VEP) nicht hinreichend bestimmt, um die Errichtung eines oder mehrerer konkreter Vorhaben zu regeln (vgl. § 29 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Konkretisiert werden müsse nicht nur die Art der baulichen Nutzung, sondern – ebenfalls mit (begrenztem) Spielraum – auch das Maß der baulichen Nutzung.

Die Festsetzungen des „Solarpark Tiste“ mit Höchstmaßen der Modultische („4 m über gewachsenem Grund“), die Art der Unterkonstruktion („Ramm- oder Schraubfundamente“), sowie die Südausrichtung der Module und das Verbot von Nachführanlagen oder sog. Ost-West-Anlagen seien dagegen ungenügend, da der VEP nicht hinreichend sicherstellt, dass nur ein derartiges Vorhaben auch entsteht. Die Verwendung von Zusätzen wie „beispielhaft“, „indikativ“, „oder vergleichbar“ sowie „ca.“ hinsichtlich weiterer Parameter (Ausführung der Modultische, Abstand der Modulreihen, Anordnung der Modultische) eröffne solche Spielräume, sodass ein „aliud“ zu dem beabsichtigten Vorhaben entstehen könne. Das OVG vermisste weiterhin z. B. einen Mindestabstand zum Boden und sah schließlich das Planungsziel eines „grünen Solarparks“ insgesamt als nicht erreichbar an.

Für die Praxis macht die Entscheidung deutlich, dass bei der Aufstellung von Vorhaben- und Erschließungsplänen darauf zu achten ist, keine beispielhaften Formulierungen zu verwenden, sondern die Angaben so präzise zu fassen, dass kein anderes Projekt entsteht, als es der VEP und der Durchführungsvertrag zulassen.

Beachtliche Abwägungsfehler hinsichtlich des Natur- und Landschaftsschutzes

Neben der mangelnden Bestimmtheit des VEP sah der Senat beachtliche Abwägungsfehler für gegeben. Die Belange des Natur- und Landschaftsschutzes seien nicht fehlerfrei abgewogen (§ 1 Abs. 6 Nr. 7 Buchstabe a BauGB), insbesondere

  1. im Zusammenhang mit der optischen Störung des Landschaftsbilds und
  2. hinsichtlich der Beeinträchtigung des Schutzguts Boden.

1. Gravierende optische Störung des Landschaftsbildes durch PV

Das OVG Lüneburg sah durch die Planung eine gravierende Störung des Landschaftsbildes, die die Erheblichkeitsschwelle des § 14 Abs. 1 BNatSchG bei Weitem überschreite, da die Flächen ihren bisherigen Charakter als Grün- bzw. Ackerland vollständig optisch verlieren würden. Das OVG lehnte dabei insbesondere die Annahme ab, dass die bisherige Landschaftsbildeinheit (strukturreiches bzw. strukturarmes Grünland) durch die Nutzung der Flächen unterhalb der Photovoltaikmodule als Grünland bestehen bleibe und lediglich durch die Anlage ergänzt werden. Der visuelle Eindruck der flachen, offenen, knapp 54 ha großen Landschaft würde durch die grundsätzlich weithin sichtbare Anlage erheblich verändert und zukünftig von bis zu 4 m hoch aufragenden Solarmodulen geprägt und damit technisch überformt werden. Dem Gericht zufolge hätte eine solche Beeinträchtigung zumindest weitere Ausgleichsmaßnahmen erfordert, wie insbesondere eine verbindliche Eingrünung

2. Keine Ausgleichsfläche durch Grünland unter den Photovoltaikanlagen

Zudem bemängelte das Oberverwaltungsgericht die unzureichende Berücksichtigung der Funktion des Plangebiets (insb. des Bodens) als Brutgebiet für Offenbrüter. Das Schutzgut Boden sei als von Solarmodulen überdecktes Grünland, so das Gericht, als Lebensraum für gefährdete Vogelarten kaum geeignet, da

  1. Offenbrüter und gegenüber Vertikalstrukturen empfindliche Rastvögel die großflächig verstellten Flächen zukünftig aller Voraussicht nach ganz meiden würden,
  2. Greifvögel die Fläche ganz überwiegend nicht mehr zur Jagd nutzen könnten, sowie
  3. im Übrigen die Fläche für die Avifauna allenfalls noch einen geringen Nutzen entfalte.

Daher sei die Annahme fehlerhaft, dass die Beeinträchtigung der Funktion der Fläche als Lebensraum für Vögel dadurch ausgeglichen sei, dass sich unter den Solarmodulen Grünland entwickeln solle und zudem dessen Entwicklung aufgrund unzureichender Festsetzungen in dem Plan auch nicht gewährleistet sei.

Ausblick: OVG Lüneburg setzt hohe Ansprüche an Freiflächen-Photovoltaik

Das OVG Lüneburg lässt zwar durchklingen, dass die Wahl des Standorts als solche zwar voraussichtlich nicht zu beanstanden sei, doch bedürfe es aufgrund der gravierenden Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes und der Funktion als Lebensraum für zum Teil stark gefährdete Brut- und Rastvögel weitergehender Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, als sie der Plan bislang vorsehe.

Insgesamt ein Beschluss, der versucht, die Maßstäbe der Windenergieanlagen auf Photovoltaikanlagen zu übertragen und dadurch (zu) hohe Anforderungen besonders bezüglich der Störung des Landschaftsbildes stellt. Erneuerbare Energieprojekte sind im besten Sinne des Wortes fortschrittlich gelebter Umwelt- und Klimaschutz. Wertend ist festzustellen, dass das Niedersächsische OVG durch die Entscheidung – nun für Photovoltaik-Freiflächen-Projekte – den Beginn einer energieversorgungsseitig verheerenden Entwicklung gesetzt haben könnte. Es bleibt zu hoffen, dass das Ministerium von Robert Habeck dies erkennt und noch vor der nächsten Bundestagswahl legislativ entgegensteuert.

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LEE-Sachen – Eindrücke vom 4. PV-Forum

In all unseren Aufgaben zum 4. PV-Forum in Leipzig haben wir natürlich auch den Landesverband vertreten. Es gab tolle Gespräche mit Gästen und natürlich auch im Verein.

Das nächste PV-Forum findet auch wieder mit uns als Firma und dem Verein statt. Wir laden Sie ganz herzlich dazu ein.

Bild – von links nach rechts: RA Moritz Müller – Kanzlei Maslaton, Julia Jaskulla – KLM Architekten, Stephan Rothe – Geschäftsführer EEHD GmbH

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Erneuerbare Energien – Niedersachsen bringt Gesetzesentwurf zur Bürgerbeteiligung in den Landtag

Neben einem geplanten Klimaschutzgesetz wird nun auch das Windenergiebeschleunigungsgesetz inklusive eines Beteiligungsgesetzes in den niedersächsischen Landtag eingebracht.

Bereits seit Mai wird in Niedersachsen der Gesetzesentwurf diskutiert. Nun ist die Verbändebeteiligung abgeschlossen und das niedersächsische Landeskabinett wird den Entwurf zum „Gesetz zur Steigerung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land und von Freiflächen-Photovoltaikanlagen sowie zur Änderung raumordnungsrechtlicher Vorschriften“ (kurz: Windenergiebeschleunigungsgesetz) in den Landtag einbringen. Mit dem Gesetz soll nicht nur das Wind-an-Land-Gesetz der Bundesregierung in Niedersachsen umgesetzt werden, sondern es regelt auch Fragen der Raumplanung und insbesondere der Bürgerbeteiligung bei Wind- und Photovoltaikprojekten.

Bürgerbeteiligung: Akzeptanzsteigerung durch Sparprodukt und Akzeptanzabgabe

Eine erfolgreiche Energiewende kann nur gemeinsam mit den Bürger:innen und Kommunen gelingen, weshalb neben Hessen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern nun auch Niedersachsen die Kommunen sowie Bürgerinnen und Bürger stärker vom Ausbau der erneuerbaren Energien profitieren lassen will. Dem Entwurf zufolge sollen die Anlagenbetreiber von großen Windparks und Freiflächen-Solaranlagen verpflichtet werden, dauerhaft 0,2 Cent pro Kilowattstunde erzeugten Stroms an die betroffenen Gemeinden zu zahlen. Daneben sollen auch viele andere Beteiligungsmodelle möglich sein, wie Bürgerenergiegenossenschaften, Energiesparbriefen, Gesellschaftsanteilen, Schwarmfinanzierung bis hin zu niedrigeren Strompreisen, Bürgerenergiestiftungen oder anderen innovativen Beteiligungsmöglichkeiten, so der niedersächsische Umwelt- und Energieminister Meyer.

Im Gegensatz zu anderen Beteiligungsgesetzen steht damit eine ganze Vielzahl an Beteiligungsmöglichkeiten zur Verfügung. Den Betreibenden soll gerade keine Anlageform vorgeschrieben werden, womit den Besonderheiten einzelner Projekte, Kommunen und deren regionalen Unterschieden Rechnung getragen werden kann. Die durch die Errichtung und den Betrieb der erneuerbaren Energien erzielten Einnahmen können die Wertschöpfung in ländlichen Räumen erheblich erhöhen. Die Mittel sind jedoch zweckgebunden von den Kommunen zum Erhalt und zur Steigerung der Akzeptanz für die erneuerbaren Energien zu verwenden, worunter jedoch neben der Förderung von Naturschutz und der Energiewende auch soziale Zwecke, Kultur und Ehrenamt zählen.

Festlegung regionaler Flächenziele für die Windenergie

Des Weiteren sieht der Entwurf die Umsetzung des Wind-an-Land-Gesetzes der Bundesregierung vor. Danach wird festgelegt, welche Flächen der Landkreise und Gemeinden für die Windenergie ausgewiesen werden müssen, um das 2,2 Prozent Flächenziel des Bundes bis Ende 2026 zu erreichen. Jedoch sollen in keinem Planungsraum mehr als vier Prozent der Fläche für Windenergieanlagen ausgewiesen werden müssen. Gegebenenfalls soll 2026 das Ausbauziel bis 2032 auf 2,5 Prozent angehoben werden – sofern notwendig. Eine sogenannte Superprivilegierung, also ein absoluter Vorrang von Windenergieanlagen und damit der ungesteuerte Zubau der Windenergie, soll dagegen hierdurch nicht entstehen.

Ebenfalls vorgesehen sind Änderungen des Niedersächsischen Raumordnungsgesetzes (NROG). Dies betrifft insbesondere die Vorschriften zur Aufstellung von Raumordnungsplänen und dem Verfahren der Raumverträglichkeitsprüfung. Durch die Erleichterungen und Beschleunigungen im Verfahren soll es möglich sein, die Flächen auch schrittweise in Teilplänen für die Windenergie auszuweisen.

Fazit: Bürgerbeteiligung und schnelle Planungs- und Genehmigungsverfahren als Schlüsselstelle Mit dem Windenergiebeschleunigungsgesetz kommt nicht nur Niedersachsen dem Ziel der Vorreiter in Sachen Kilmaschutz zu werden, sondern es trägt auch weiter zur Energiewende bei. In der Gesamtschau ist Deutschland jedoch noch weit davon entfernt, in jedem Bundesland die Bürger:innen aktiv mit einzubeziehen. Der niedersächsische Entwurf formuliert mit den Flächenzielen teils ambitionierte Ziele, bei denen es sich noch zeigen wird, ob die geplanten Verfahrenserleichterungen hier einen nennenswerten Beitrag zur Beschleunigung beitragen können.

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Wie Windenergie-Gegner den Klimawandel auf die Erneuerbaren schieben wollen

Der Übergang von fossilen Brennstoffen zu Erneuerbaren Energien (EE) ist ein entscheidender Schritt für die Bekämpfung des Klimawandels – das ist jedem bekannt. PV- und Windenergieanlagen (WEA) sind dabei bislang unsere beste Option. Doch während der weitaus geringere CO²-Auststoß dieser Technologien außer Frage steht, kommen immer wieder fragwürdige Diskussionen darüber auf, wie die EE dem Klima schaden würden. Es ist von Ernteeinbußen und Dürre bis hin zu Erderwärmung und Waldsterben die Rede – belegt durch „alarmierende Studien“.

Faktencheck – ist die Lage so „alarmierend“, wie Kritiker:innen behaupten?

Grundlage für die Annahmen sind insbesondere Studien wie die der Amerikaner Keith/Miller aus 2018. Doch bei einem genaueren Blick auf die Fakten und die Validität der Studien wird klar, dass hier auch viele Fehlinformationen über den wahren Einfluss der erneuerbaren Energien auf das Klima kursieren. Die Behauptungen reichen von „WEA reduzieren die Windgeschwindigkeit und haben Einfluss auf die Wolkenbildung“ oder gar „WEA unterstützen die Erderwärmung und heizen das Klima auf“ oder „im Umland von WEA regnet es weniger und begünstigen außergewöhnliche Dürreperioden.“ Inwiefern diese Aussagen einen Wahrheitsgehalt haben, kann ausführlich in den naturwissenschaftlichen Einschätzungen der Studienergebnisse von Spectrum (2022) oder auch in der Zusammenfassung der Studienlage des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages (2020) nachgelesen werden.

Zusammenfassend lassen sich dazu folgende Punkte festhalten:

Mikroklimaveränderungen möglich – Auswirkungen auf das Makroklima ausgeschlossen
Die Studie hat in der Tat nachgewiesen, dass WEA die oberflächennahe Luft am Boden nachts um 0,5–1 Grad Celsius erhöhen können. Die Auswirkungen beschränken sich hierbei aber auf das lokale Klima (Mikroklima) und sind auch nur sehr gering und von verschiedenen Faktoren abhängig. Pauschal lässt sich da keine valide Aussage treffen. Die geografische Lage, das Klima der Region und die Größe des Windparks müssen beachtet werden. Die Studien zeigen, dass selbst mit ihren realitätsfernen überdimensionierten Szenarien als Grundlage die Klimaauswirkungen auf Makroklima-Ebene marginal seien.

Keine direkte Beziehung zwischen WEA und dem Klimawandel nachgewiesen
Gegner der Erneuerbaren wollen eine direkte Ursache-Wirkungs-Beziehung zwischen WEA, Klimawandel und Dürren suggerieren. Dabei bleibt außen vor, dass der Klimawandel ein komplexes Phänomen ist, welches von vielen Faktoren beeinflusst wird, wie beispielsweise der großen Variabilität des Wettergeschehens. Einzelne Faktoren wie WEA können nicht isoliert betrachtet werden, um den gesamten Klimawandel zu erklären. Der generelle Temperaturanstieg ist seit mehr als 100 Jahren nachgewiesen – als Folge der Industrialisierung – und ohne Beziehung zum großen Ausbau der Windenergie, welcher erst vor rund 20 Jahren begonnen hat.

Aussagen ohne Relation zur Schädlichkeit fossiler Energieträger
Eine Einordnung, insbesondere ein Abgleich mit den Auswirkungen anderer anthropogener Strukturen auf das Mikroklima, fehlt in der Diskussion. Doch bei einem Blick über den Tellerrand – so das ee mag – und unter Einbeziehung der klimatischen Auswirkungen der fossilen Stromerzeugung oder urbaner Strukturen beweist die Studie sogar, warum die Erneuerbaren den fossilen Energien vorzuziehen sind. Städte haben aufgrund der hohen Bebauung eine starke bremsende Wirkung auf Windströme und die großflächige Versiegelung verursacht ein Temperaturgefälle zum Umland von bis zu 6 Grad. Bei Kohlekraftwerken ist die durch die CO²-Emmissionen hervorgerufene Erderwärmung des globalen Klimas wissenschaftlicher Konsens, von den negativen Auswirkungen auf das Mikroklima durch ihren Ausstoß von Nanopartikeln noch gar nicht angefangen. WEA im Vergleich hierzu – und das stellen selbst Miller/Keith fest – kompensieren durch den langfristigen positiven Effekten der CO²-Reduktion den lokalen Erwärmungseffekt der WEA deutlich über. PV-Anlagen seien in ihren klimatischen Auswirkungen zu WEA nochmal 10mal geringer.

Fazit: konstruktive Mitarbeit an der Energiewende sieht anders aus

Die Auswirkungen anderer Energiequellen sind – wie eben dargelegt – im Vergleich zu den behaupteten Auswirkungen von WEA signifikant schlechter. Dennoch sprechen Kritiker:innen von „alarmierenden Studien.“ Der Mangel an Relation zu anderen Energieträgern stellen die Glaubwürdigkeit und Aussagekraft der Thesen aber sehr in Frage. Die Erneuerbaren sind bei der Energiewende unerlässlich. Das ist Konsens aller demokratischer Parteien. Würden Windenergie-Gegner nicht aus dem Nichts Dürren heraufbeschwören, sondern konstruktiv an der Energiewende mitarbeiten, gäbe es vielleicht keine derartige Problematik mehr. Die Sommerhitze und Dürre auf die Erneuerbaren zu schieben, verkehrt Ursache und Wirkung und spielt der fossilen Lobby in die Hände.

Moritz Müller

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