Rutger Bregman (* 26. April 1988) ist ein niederländischer Historiker und Autor. Er hat acht Bücher zu Geschichte, Philosophie, Anthropologie und Wirtschaft veröffentlicht. Seine Werke Humankind: A Hopeful History (2020) und Utopia for Realists: And How We Can Get There (2017) wurden beide zu Bestsellern der Sunday Times und der New York Times und wurden in 46 Sprachen übersetzt.
Der Guardian beschrieb ihn als „das niederländische Wunderkind neuer Ideen“, während TED ihn als „einen der bedeutendsten jungen Denker Europas“ würdigte. https://rutgerbregman.com/about
Sein jüngstes Buch, „Moralische Ambition“ (2024), hat es in sich. Darin beschreibt er, wie man aufhört, sein Talent zu vergeuden, und stattdessen etwas schafft, das wirklich zählt.
Im Einführungskapitel auf Seite 19 schreibt Rutger Bregman:
Die größte Verschwendung unserer Zeit ist die Verschwendung von Talent. Überall auf der Welt gibt es Millionen von Menschen, die einen bedeutenden Beitrag zu einer besseren Welt leisten könnten, es aber nicht tun.
Warum? Der erste Grund liegt auf der Hand: weil sie keine Möglichkeit dazu haben. Man denke nur an die Hälfte der Weltbevölkerung, die mit weniger als sieben Dollar pro Tag auskommen muss. Wie viele verlorene Einsteins gibt es unter ihnen?
Aber hier möchte ich über diejenigen sprechen, die sehr wohl alle Chancen haben. Über Menschen, die ihre Karriere selbst gestalten können, deren Lebenslauf aber trotzdem traurig anmutet. Talente, denen die ganze Welt zu Füßen liegt, die aber in langweiligen, nutzlosen oder sogar schädlichen Jobs gestrandet sind.
Es gibt ein Mittel gegen diese Verschwendung, und dieses Mittel heißt «moralische Ambition». Moralische Ambition ist der Wille, die Welt drastisch zu verbessern. Die eigene Karriere den großen Problemen unserer Zeit zu widmen, seien es der Klimawandel oder Kindersterblichkeit, Steuerhinterziehung oder die nächste Pandemie. Es ist das Bedürfnis, etwas zu bewirken und etwas zu hinterlassen, das wirklich zählt.
Wie sehr haben mich diese Zeilen beeindruckt! Ja, das war genau das, was mich mein Leben lang angetrieben hat: mich den großen Problemen unserer Zeit zu widmen – insbesondere dem Klimawandel, einer sauberen Umwelt, aber auch dem Frieden.
Und dann, beim Weiterlesen in diesem faszinierenden Buch über Menschen, die genau das getan hatten, kam die große Überraschung:
Rutger Bregman hatte mich entdeckt und in seinem Buch genau in die Kategorie von Menschen mit moralischer Ambition eingeordnet. Im Gegensatz zu vielen anderen Autoren, die mich interviewt hatten, hatte ich jedoch nie Kontakt mit ihm.
Bregman erkannte, dass die Solarenergie aus Gründen des Klimaschutzes, der Ressourcenschonung und auch zur Schaffung des Friedens die wichtigste Energiequelle der Menschheit werden müsse.
Er benennt drei Pioniere, die mit ihrer moralischen Ambition der Solarenergie zum globalen Durchbruch verholfen haben: den australischen Solarforscher Peter Green, den deutschen Politiker Hans-Josef Fell und den chinesischen Solarunternehmer Shi Zhengrong.
Doch am besten lesen Sie selbst den entsprechenden Buchausschnitt (S. 169–173), den ich mit Erlaubnis des Autors abdrucken darf:
In der Zwischenzeit müssen wir uns aber noch von fossilen Brennstoffen verabschieden. Das sind nämlich knappe, schmutzige und tödliche Energiequellen, die viele Diktatoren im Sattel halten. Eines Tages werden wir das Verbrennen von Kohle, Öl und Gas für so primitiv halten wie die Verbrennung von Torf.
Glücklicherweise gibt es viel bessere Optionen. Mit seiner Formel E=mc2 hatte Einstein bereits vorhergesehen, dass man eine kleine Menge an Masse in eine immense Menge an sauberer Energie umwandeln kann. Diese Energie wird freigesetzt, wenn sich Atomkerne spalten oder, besser noch, verschmelzen.
Einen Vorgeschmack auf diese Zukunft erhielten wir im Dezember 2022, als ein US amerikanisches Forschungsteam verkündete, dass es ihnen erstmals gelungen sei, auf diese Weise Energie zu erzeugen. Dieser Prozess, die Kernfusion, findet auch im Inneren von Planeten statt.
Eine kleine Randbemerkung: Das Team produzierte gerade genug Strom, um damit eine Kanne Tee zu kochen. Kernfusion im großen Maßstab scheint noch in weiter Ferne zu liegen, doch wie lange es dauern wird, steht nicht in den Sternen. Es hängt von menschlichen Entscheidungen ab, mit anderen Worten: davon, wie sehr wir uns anstrengen.
Es gibt noch einen weiteren Kandidaten für die Energiequelle der Zukunft. Ich spreche von dem Kernfusionsreaktor, den wir jeden Tag aufgehen sehen: der Sonne. «Ich setze mein Geld auf die Sonne und Solarenergie», soll Thomas Edison 1931 zu dem Automobilhersteller Henry Ford gesagt haben. «Was für eine Energiequelle! Ich hoffe, dass wir nicht warten müssen, bis Öl und Kohle zur Neige gehen, bevor wir das in Angriff nehmen. Ich wünschte, ich hätte mehr Lebenszeit!»
Seit den 1970er-Jahren sind die Kosten für Solarenergie um mehr als 99 Prozent gesunken. Wenn Sie sich die steil abfallende Linie dieser Grafik ansehen, könnten Sie den Eindruck gewinnen, dass der Preisverfall bei Solarenergie unvermeidlich war. Aber nichts ist weniger wahr.
Hinter dieser Grafik verbirgt sich eine faszinierende Geschichte über eine Handvoll Schlüsselfiguren. Ich spreche von drei Pionieren mit einem turmhohen VORP: einem australischen Professor, einem deutschen Politiker und einem chinesischen Un-ternehmer.
Lassen Sie mich am Anfang dieser wilden Geschichte beginnen. Bereits 1839 hatte ein französischer Physiker das Grundprinzip des Solarpanels beschrieben: den photovoltaischen Effekt. Doch dann dauerte es mehr als ein Jahrhundert, bis die New York Times im Jahr 1954 über eine revolutionäre Erfindung berichtete: New Battery Taps Sun’s Vast Power.
Den Forschungsteams der Bell Labs gelang es erstmals, ein brauchbares Panel zu bauen, das Lichtteilchen einfing und in Elektrizität umwandelte. Die Zeitung verstand die revolutionären Implikationen. «Die Menschheit könnte bald einen ihrer größten Träume verwirklichen. Die Nutzung der nahezu endlosen Energie der Sonne zum Wohle der Gesellschaft.»
Doch trotz dieser Begeisterung wurde wenig in die Technologie investiert. Wie Ralph Nader in den 1970er-Jahren sagte:
«Die Nutzung von Solarenergie wurde nie ausgeweitet, weil der Ölindustrie die Sonne nicht gehört.»
Nach der Ölkrise von 1973 hat man ein bisschen Kleingeld für ein bescheidenes Forschungsprogramm aufgetrieben, aber das wurde in den 1980er Jahren wieder eingestellt. Präsident Ronald Reagan bezeichnete die Erforschung von Solarpanelen als linke Geldverschwendung und sprach verächtlich vom «Solarsozialismus». Die Panele, die unter Präsident Jimmy Carter auf dem Weißen Haus angebracht worden waren, ließ Reagan wieder entfernen.
In den folgenden Jahren köchelte die Forschung auf kleiner Flamme, insbesondere an der University of New South Wales in Australien. Dort werkelte ein Team unter der Leitung eines Professors namens Martin Green weiter am Solarpanel der Zukunft.
Unterdessen trat auf der anderen Seite der Erde eine weitere entscheidende Persönlichkeit auf den Plan: der deutsche Gemeinderat Hans-Josef Fell. Schaut man sich ein Foto von ihm an, sieht man einen Politiker in einem unscheinbaren Anzug und denkt nicht sofort an einen Superhelden. Aber das ist er.
Herr Fell hat nämlich der Entwicklung der Solarenergie, unserer wichtigsten Waffe im Kampf gegen den Klimawandel, einen enormen Boost verschafft.
Schon in den frühen 1990er-Jahren war er ein sympathischer Umweltverrückter oder «Solarfreak», wie er sich selbst nannte. Auf einem Hügel des Städtchens Hammelburg hatte er eigenhändig eine Art Hobbithaus gebaut, das komplett mit Gras und Sonnenpanelen bedeckt war. In der Nachbarschaft galt Fell als ein Spinner, der ein Vermögen für sauteure Solarmodule rausschmiss, die kaum Strom produzierten.
Aber dieser Spinner hatte Überzeugungskraft. Er glaubte, dass Solarenergie deutlich günstiger werden könnte, wenn nur ihre Produktion ausgeweitet würde. Und so schlug Fell vor, in Hammelburg die weltweit erste «Solarprämie» einzuführen.
Fortan erhielten alle, die ein Solarpanel besaßen, einen satten Zuschuss, der über die Energierechnungen aller Stromverbraucher querfinanziert wurde. Plötzlich wurde es lukrativ, sich der Sekte der Solarfreaks anzuschließen.
1998 zog Fells Partei (Die Grünen) in die Bundesregierung ein, und er witterte seine Chance. Fell verfasste einen ambitionierten Plan für eine landesweite Gesetzesvorlage, die tatsächlich von der neuen Koalition akzeptiert wurde. In den folgenden Jahren pumpten die Deutschen einen Wahnsinnsbetrag, mehr als 200 Milliarden Euro, in Subventionen für Solaranlagen. Der Weltmarkt verdreißigfachte sich, und Deutschland trug in manchen Jahren mehr als die Hälfte aller Kosten. In keinem anderen Land sind die Stromrechnungen so stark gestiegen.
Die Leute haben oft über dieses verrückte Deutschland gelacht, wo man ein Vermögen hinblättern musste, nur um die Emissionen ein klein wenig zu reduzieren. Aber die stehen jetzt dumm da. Denn was Fell vorhergesagt hatte, bewahrheitete sich: Mit der Vergrößerung der Fabriken wurde die Produktion immer effizienter. Überall purzelten die Preise für Solarmodule. Mit anderen Worten: Dank des Solarfreaks aus Hammelburg hat Deutschland das Lehrgeld für die Welt bezahlt, und jetzt haben wir in der ganzen Welt spottbilligen Solarstrom.
Danke, Herr Fell!
Und wo wurden diese Millionen Panele produziert? Nicht in Deutschland, sondern in China. Einer der Austauschstudierenden von Martin Green (der australische Professor) erwies sich nicht nur als ausgezeichneter Forscher, sondern auch als brillanter Unternehmer. Sein Name war Shi Zhengrong, und er wurde der Sonnenkönig der Welt. So wie Thomas Edison das Geschäftsmodell hinter der Glühbirne austüftelte, entwickelte er das Geschäftsmodell hinter dem Solarpanel.
Auf Anraten seines ehemaligen Professors besuchte Shi Zhengrong eine Industriemesse in Deutschland, wo gerade das Fell-Förderprogramm angekündigt worden war. Er war der einzige chinesische Solarunternehmer auf dieser Messe, konnte aber mit seinem perfekten Englisch und seinem Doktortitel bei der besten Photovoltaik-Forschungsgruppe der Welt alle für sich einnehmen.
«Wir haben in zehn Jahren etwas erreicht, von dem viele dachten, dass es hundert Jahre dauern würde», blickte Shi 2012 auf das Geschehen zurück. «Einige meinten, wir würden zu schnell wachsen, aber die Welt konnte nicht noch ein Jahrhundert auf eine Lösung für die Klimakrise warten.» Übrigens ging Shi ein Jahr später bankrott – sein milliardenschweres Unternehmen war tatsächlich etwas zu schnell gewachsen. Doch inzwischen sind Dutzende Konkurrenzunternehmen in seine Fußstapfen getreten, und Fachleute sind sich einig, dass Shi Zhengrong eine historische Rolle gespielt hat. Ohne ihn wäre die Entwicklung der Solarenergie deutlich langsamer verlaufen.
Ein Ende des Preisverfalls bei Solarenergie ist noch nicht in Sicht. Nach Angaben der Internationalen Energieagentur ist sie bereits die billigste Energiequelle in der Geschichte der Menschheit, auch ohne Subventionen, und sie könnte noch viel billiger werden, wenn wir die Produktion weiter steigern. Jede Stunde erreicht genügend Sonnenlicht die Erde, um die gesamte Welt ein Jahr lang mit Strom zu versorgen.
Es sieht also so aus, als hätte Thomas Edison recht gehabt, als er sagte, er würde sein Geld auf die Sonne setzen und dass Solarenergie unsere größte Energiequelle werden könnte. Wenn es so weit ist, denken Sie an Martin Green, Shi Zhengrong und Hans-Josef Fell – denn an der ganzen Geschichte war nichts Selbstverständliches.
Am Ende des Buches ermutigt Rutger Bregman, sich der Bewegung der Moralischen Ambition anzuschließen. Ich kann ihm nur beipflichten, diesem Aufruf zu folgen:
Höre auf dein Talent zu vergeuden:
Moralische Ambition bedeutet den Wunsch zu haben, zu den Besten gehören zu wollen, allerdings mit einer anderen Definition von Erfolg. Kein hohes Gehalt und kein eindrucksvoller Titel, sondern eine Karriere, die sich den Lösungen unserer größten globalen Probleme widmet.
Wir glauben, dass die ambitioniertesten Menschen an den wichtigsten globalen Problemen arbeiten sollten. Wir brauchen unsere klügsten Köpfe, um die Massentierhaltung zu beenden, unsere Demokratien zu schützen, Pandemien zur Geschichte zu machen – um nur einige Beispiele zu nennen.
So steht es auf der Website https://www.moralambition.eu/de, die Mut macht und Vorschläge sowie Grundsätze dafür aufzeigt.
Mit meiner Lebenserfahrung kann ich das nur unterstreichen: Suchen Sie Lösungen für die zentralen Herausforderungen der Menschheit, allen voran die globale Erwärmung, und arbeiten Sie mit moralischer Ambition an deren Umsetzung.
Helfen Sie mit, einen Weg zu finden, die Erde wieder um 1°C abzukühlen. Heute glauben viele Menschen, das sei unmöglich – genauso wie sie vor 30 Jahren dachten, Solarenergie würde niemals günstig werden. Doch es wird möglich sein, die Erde wieder um 1°C abzukühlen. Die grundsätzlichen Wege dazu kennen wir. Es braucht jedoch viele Menschen mit moralischer Ambition, die diesen Abkühlungspfad der Erde aktiv mitgestalten.
Wenn viele mitmachen, werden wir am Ende die Welt zu einer besseren gemacht haben.
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