Photovoltaik trifft Naturschutz: VG Halle bestätigt naturschutzrechtliche Befreiung
Nach dem VG Halle kann der Bau einer Freiflächen-Photovoltaikanlage trotz Lage in einem Landschaftsschutzgebiet zulässig sein. Damit setzt das Gericht ein wichtiges Signal für die Abwägung zwischen Landschaftsschutz und Energiewende. Dieser Beitrag fasst die Entscheidung zusammen und beleuchtet rechtliche Implikationen.
I. Sachverhalt: Errichtung einer Freiflächen-Photovoltaikanlage in einem Schutzgebiet
Ein Projektentwickler plante den Bau einer Freiflächen-Photovoltaikanlage auf landwirtschaftlich genutzten Flächen. Ein Teil des vorgesehenen Areals liegt im Landschaftsschutzgebiet „Größter Berge“. Die zuständige Behörde erteilte eine naturschutzrechtliche Befreiung von den entgegenstehenden Bestimmungen des Schutzgebietes auf Grundlage des § 67 Abs. 1 BNatSchG. Gegen diese Entscheidung erhob ein Naturschutzverbund einen Eilantrag, mit dem Ziel, den Bau der Anlage zugunsten des Landschaftsschutzes zu verhindern. Hierbei wurde argumentiert, dass das öffentliche Interesse an dem Ausbau und der Nutzung erneuerbarer Energien keinen Vorrang vor den Schutzzielen des betroffenen Gebiets haben dürfe. Die dahingehende behördliche Abwägung sei fehlerhaft erfolgt.
II. Entscheidung des Gerichts: Vorrangige Interessen am Ausbau Erneuerbarer Energien
Das VG Halle lehnte den Eilantrag gegen die naturschutzrechtliche Befreiung ab. Der Beschluss kann über Juris abgerufen werden (Az. 4 B 296/24 HAL). Hierbei ging das Gericht auf zwei wesentliche Rechtsfragen ein. Zunächst war die Frage aufzuwerfen, ob die geplante Anlage als atypischer Einzelfall einzuordnen ist, für den eine Befreiung in Frage kommt. Hieran schloss sich die Frage an, ob das Interesse des Landschaftsschutzes dem Interesse am Ausbau der Erneuerbaren Energien überwiegt.
Das VG Halle nahm das Vorliegen eines atypischen Einzelfalles mit der Begründung an, dass die streitgegenständliche Schutzgebietsverordnung ohne den Einbezug der Wertungen des § 2 Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) erlassen wurde. Dessen Schwerpunktsetzung des öffentlichen Interesses an der Förderung erneuerbarer Energien war dem Normengeber im Zeitpunkt des Erlasses unbekannt. Zudem betraf die Photovoltaik-Freiflächenanlage lediglich die Grenzbereiche des Landschaftsschutzgebietes.
Betreffend die Frage der Interessenabwägung stellte das Gericht fest, dass erneuerbare Energien nach geltender Rechtslage zwar keinen generellen Vorrang vor dem Landschaftsschutz genießen. Allerdings seien sie als vorrangiger Belang in die Schutzgüterabwägung zwischen dem Landschaftsschutz einerseits sowie dem öffentlichen Interesse am Ausbau der Erneuerbaren Energien andererseits einzubeziehen.
Auch die Dimensionen des Projekts fanden Beachtung: die geplante Photovoltaikanlage beanspruche lediglich 4,5 % (97,3 ha) der Fläche des ca. 2.140 ha großen Landschaftsschutzgebiets. Diese Flächeninanspruchnahme wurde als niederschwellige Betroffenheit eingestuft und rechtfertige eine Befreiung von den entgegenstehenden Bestimmungen des Landschaftsschutzgebietes. Konkretisierend sei auch die Lage des Vorhabens zu berücksichtigen. Alle in Betracht kommenden alternativen Standorte befänden sich im Landschaftsschutzgebiet „Größter Berge“, sodass das öffentliche Interesse an der Errichtung der Freiflächen-Photovoltaikanlage nur durch die Umsetzung an diesem Standort erfüllt werden könnte.
III. Ausblick
Landschaftsschutz und erneuerbare Energien stehen oft in einem Spannungsverhältnis zueinander. Das VG Halle hat mit seiner Entscheidung eine praxisnahe Abwägung zwischen diesen widerstreitenden Interessen vorgenommen. Im Rahmen dieser Abwägung ist das öffentliche Interesse am Ausbau der Erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang zu beachten. Auch die Feststellung, dass eine Flächeninanspruchnahme von 4,5 % als niederschwellige Betroffenheit eines Landschaftsschutzgebietes gilt, könnte anderen Genehmigungsverfahren eine Orientierung bieten.