Wie Windenergie-Gegner den Klimawandel auf die Erneuerbaren schieben wollen

Der Übergang von fossilen Brennstoffen zu Erneuerbaren Energien (EE) ist ein entscheidender Schritt für die Bekämpfung des Klimawandels – das ist jedem bekannt. PV- und Windenergieanlagen (WEA) sind dabei bislang unsere beste Option. Doch während der weitaus geringere CO²-Auststoß dieser Technologien außer Frage steht, kommen immer wieder fragwürdige Diskussionen darüber auf, wie die EE dem Klima schaden würden. Es ist von Ernteeinbußen und Dürre bis hin zu Erderwärmung und Waldsterben die Rede – belegt durch „alarmierende Studien“.

Faktencheck – ist die Lage so „alarmierend“, wie Kritiker:innen behaupten?

Grundlage für die Annahmen sind insbesondere Studien wie die der Amerikaner Keith/Miller aus 2018. Doch bei einem genaueren Blick auf die Fakten und die Validität der Studien wird klar, dass hier auch viele Fehlinformationen über den wahren Einfluss der erneuerbaren Energien auf das Klima kursieren. Die Behauptungen reichen von „WEA reduzieren die Windgeschwindigkeit und haben Einfluss auf die Wolkenbildung“ oder gar „WEA unterstützen die Erderwärmung und heizen das Klima auf“ oder „im Umland von WEA regnet es weniger und begünstigen außergewöhnliche Dürreperioden.“ Inwiefern diese Aussagen einen Wahrheitsgehalt haben, kann ausführlich in den naturwissenschaftlichen Einschätzungen der Studienergebnisse von Spectrum (2022) oder auch in der Zusammenfassung der Studienlage des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages (2020) nachgelesen werden.

Zusammenfassend lassen sich dazu folgende Punkte festhalten:

Mikroklimaveränderungen möglich – Auswirkungen auf das Makroklima ausgeschlossen
Die Studie hat in der Tat nachgewiesen, dass WEA die oberflächennahe Luft am Boden nachts um 0,5–1 Grad Celsius erhöhen können. Die Auswirkungen beschränken sich hierbei aber auf das lokale Klima (Mikroklima) und sind auch nur sehr gering und von verschiedenen Faktoren abhängig. Pauschal lässt sich da keine valide Aussage treffen. Die geografische Lage, das Klima der Region und die Größe des Windparks müssen beachtet werden. Die Studien zeigen, dass selbst mit ihren realitätsfernen überdimensionierten Szenarien als Grundlage die Klimaauswirkungen auf Makroklima-Ebene marginal seien.

Keine direkte Beziehung zwischen WEA und dem Klimawandel nachgewiesen
Gegner der Erneuerbaren wollen eine direkte Ursache-Wirkungs-Beziehung zwischen WEA, Klimawandel und Dürren suggerieren. Dabei bleibt außen vor, dass der Klimawandel ein komplexes Phänomen ist, welches von vielen Faktoren beeinflusst wird, wie beispielsweise der großen Variabilität des Wettergeschehens. Einzelne Faktoren wie WEA können nicht isoliert betrachtet werden, um den gesamten Klimawandel zu erklären. Der generelle Temperaturanstieg ist seit mehr als 100 Jahren nachgewiesen – als Folge der Industrialisierung – und ohne Beziehung zum großen Ausbau der Windenergie, welcher erst vor rund 20 Jahren begonnen hat.

Aussagen ohne Relation zur Schädlichkeit fossiler Energieträger
Eine Einordnung, insbesondere ein Abgleich mit den Auswirkungen anderer anthropogener Strukturen auf das Mikroklima, fehlt in der Diskussion. Doch bei einem Blick über den Tellerrand – so das ee mag – und unter Einbeziehung der klimatischen Auswirkungen der fossilen Stromerzeugung oder urbaner Strukturen beweist die Studie sogar, warum die Erneuerbaren den fossilen Energien vorzuziehen sind. Städte haben aufgrund der hohen Bebauung eine starke bremsende Wirkung auf Windströme und die großflächige Versiegelung verursacht ein Temperaturgefälle zum Umland von bis zu 6 Grad. Bei Kohlekraftwerken ist die durch die CO²-Emmissionen hervorgerufene Erderwärmung des globalen Klimas wissenschaftlicher Konsens, von den negativen Auswirkungen auf das Mikroklima durch ihren Ausstoß von Nanopartikeln noch gar nicht angefangen. WEA im Vergleich hierzu – und das stellen selbst Miller/Keith fest – kompensieren durch den langfristigen positiven Effekten der CO²-Reduktion den lokalen Erwärmungseffekt der WEA deutlich über. PV-Anlagen seien in ihren klimatischen Auswirkungen zu WEA nochmal 10mal geringer.

Fazit: konstruktive Mitarbeit an der Energiewende sieht anders aus

Die Auswirkungen anderer Energiequellen sind – wie eben dargelegt – im Vergleich zu den behaupteten Auswirkungen von WEA signifikant schlechter. Dennoch sprechen Kritiker:innen von „alarmierenden Studien.“ Der Mangel an Relation zu anderen Energieträgern stellen die Glaubwürdigkeit und Aussagekraft der Thesen aber sehr in Frage. Die Erneuerbaren sind bei der Energiewende unerlässlich. Das ist Konsens aller demokratischer Parteien. Würden Windenergie-Gegner nicht aus dem Nichts Dürren heraufbeschwören, sondern konstruktiv an der Energiewende mitarbeiten, gäbe es vielleicht keine derartige Problematik mehr. Die Sommerhitze und Dürre auf die Erneuerbaren zu schieben, verkehrt Ursache und Wirkung und spielt der fossilen Lobby in die Hände.

Moritz Müller

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Wie kommen EE-Projektierende eigentlich an die Eigentümerdaten potenzieller Vorhabengrundstücke – Einfach klingeln?

In der Praxis leider nicht ganz so einfach: Da EE-Anlagen meist nicht auf Wohngrundstücken, sondern auf Acker-, Wald- und Wiesenflächen geplant werden, sind Projektierende auf die behördliche Auskunft des Katasteramts angewiesen. Leichter gesagt als getan!

Bevor Projektierer:innen mit der konkreten Planung und Umsetzung neuen EE-Vorhaben starten können, ist es notwendig die benötigten Flächen zivilrechtlich zu sichern. Damit es aber zum Abschluss von Nutzungsverträgen kommen kann, müssen Projektierer:innen erstmal wissen auf welchen Eigentümer sie zugehen müssen. Da es sich aber in der Regel um irgendeinen Acker oder irgendein Waldstück handelt, ist die Suche nach dem Klingelschild meist hoffnungslos. Doch das amtliche Vermessungswesen kann – wenn es denn will – Abhilfe schaffen. Bei den Katasterämtern lassen sich die zu jedem Flurstück erfassten Daten – insbesondere den Eigentümer mit Anschrift – abrufen. Es wird ein Antrag gestellt, man gibt eine kurze Begründung ab und erhält die Eigentümerdaten. Soweit die Theorie.

Das Katasteramt verneint ein „berechtigtes Interesse“ der Projektierenden an der Auskunft

Praktisch ist es so, dass die Projektierer:innen die Daten oftmals nicht bekommen. Nach den landesspezifischen Vorschriften (bspw. § 11 Abs. 2 Satz 4 SächsVermKatG) wird für den Auskunftsanspruch ein „berechtigtes Interesse“ verlangt. Dieses lehnt das Katasteramt meistens unter Angabe folgender zwei Argumente ab:

Das Vorhaben könne sowieso nicht umgesetzt werden, weil die Fläche nicht innerhalb eines Vorranggebietes für die Windenergie liegt bzw. kein Bebauungsplan für eine PV-Anlage aufgestellt ist. Das Katasteramt nimmt also eine Inzidentprüfung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit vor.

Der Antrag sei zu umfassend („Globalantrag“), da mehr Daten angefragt wurden, als tatsächlich Grundstücke benötigt werden.

Doch die weitreichenden Anträge stellen Projektierer:innen nicht grundlos: Sie wollen sich natürlich das gesamte Projektgebiet sichern, um vor der Konkurrenz geschützt zu sein und die größtmögliche Flexibilität zu behalten, um ggf. umzuplanen.  Ein Argument, dass die Katasterämter nicht gelten lassen. Vielmehr solle der Antrag zusammen mit einem konkreten Layout oder gar mit der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung eingereicht werden. Müsse man umplanen, könne ja eine neue Anfrage gestellt werden. Völlig unpraktikabel.

Verwaltungsgerichte weisen die Behörden in ihre Schranken

Das VG Dresden (Urt. v. 21. Januar 2022, 7 K 780/19) hat dem Vorgehen der Katasterämter eine Absage erteilt und einen weitgehenden Zugangsanspruch der Projektierer:innen angenommen. Damit reiht sich das Urteil in die bisherigen Entscheidungen des VG Hannover (Urt. v. 25. November 2014, 4 A 6492/13), VG Frankfurt/Oder (Urt. V. 2. April 2019, 7 K 1062/16) und VG Dresden (6. November 2019, 4 K 5232/17) ein und stärkt die Position der Projektierer:innen. Der Entscheidung liegt insbesondere die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs des „berechtigten Interesses“ zugrunde:  

Danach liege ein berechtigtes Interesse bereits dann vor, wenn es verständig und durch die Sachlage gerechtfertigt sei. Erforderlich ist das Vorbringen sachlicher Gründe, welche die Verfolgung unbefugter Zwecke oder bloßer Neugier ausgeschlossen erscheinen lassen. Bei vorgetragenen konkreten Planungsabsichten für Windkraftanlagen in dem vom Auskunftsersuchen umfassten Gebiet und dem dadurch deutlich werdenden berechtigten wirtschaftlichem Interesse sei dies gegeben. Die angefragten Eigentümerangaben werden zur Anbahnung von Verhandlungen mit den Grundstückseigentümern bzw. vorgelagert zur Klärung der diesbezüglichen Bereitschaft zur Grundstücksüberlassung benötigt.

Das Gericht betonte auch,

Dass es keiner Vorverhandlungen mit den Grundstückseigentümern bedarf, wie sie etwa Voraussetzung für die Einsicht in das Grundbuch sind.

Dass sich die angefragten Grundstücke nicht innerhalb eines ausgewiesenen Vorranggebietes für Windenergie befinden müssen. Dies gelte für einen Entwurf sowie beschlossenen Regionalplan gleichermaßen.

Bei der Beurteilung sei nach dem VG Dresden auch zu berücksichtigen, dass Projektierer:innen mit der Planung und Errichtung von Windenergieanlagen die Aufgabe der Stromversorgung übernehmen, die in den Bereich der öffentlichen Daseinsfürsorge fällt und damit auch im öffentlichen Interesse liegt. Dieses Argument wiegt nun nach der neuen Fassung des § 2 EEG umso stärker.

Insgesamt ist das Urteil des VG Dresden nicht überraschend, da es nur die Rechtsauffassung der anderen Gerichte bestätigt. Überraschend hingegen ist, dass sich die Katasterämter nicht daran halten. Auch anderthalb Jahre nach den Urteilen des VG Dresden hat sich in der Angelegenheit nichts getan, die Katasterämter halten an ihrer „etablierten Verwaltungspraxis“ fest. Rechtsstaatlich ist dies – freundlich gesagt – fragwürdig. Den Ausbau der EE hindert es so oder so.

Moritz Müller

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