Aus für nationale Alleingänge: AFIR macht Anpassung des Ladesäulenrechts zwingend
Neuausrichtung des Ladesäulenrechts: EU-Vorgaben verlangen rechtssichere, praxisgerechte und entschlossene nationale Umsetzung
Mit der Geltung der Verordnung (EU) 2023/1804 über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (AFIR, Alternative Fuels Infrastructure Regulation) wird seit dem 13. April 2024 ein umfassend harmonisierter Rechtsrahmen für öffentlich zugängliche Ladeinfrastruktur in der gesamten Europäischen Union geschaffen. Die AFIR ersetzt die Richtlinie 2014/94/EU (AFID, Alternative Fuels Infrastructure Directive) und legt unmittelbar verbindliche – technische, organisatorische und nutzerbezogene – Anforderungen fest. Im Zentrum stehen einheitliche Standards für Stecker und Schnittstellen, die verpflichtende digitale Vernetzung, transparente Informationen für Nutzerinnen und Nutzer sowie Regelungen zur Authentifizierung, Zahlung und Interoperabilität.
Damit ist die bisherige deutsche Ladesäulenverordnung (LSV), deren Grundlage im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) verankert ist, in vielen Regelungsbereichen überholt. Der Anwendungsvorrang des Unionsrechts bedeutet, dass nationale Vorschriften, die mit der AFIR kollidieren, automatisch unanwendbar werden. Eine rechtliche Fortgeltung der bisherigen LSV ohne Anpassung würde nicht nur gegen Europarecht verstoßen, sondern auch zu einem gefährlichen Regelungsvakuum führen. Für Betreiber, Behörden, Hersteller und Endnutzer entstünde erhebliche Rechtsunsicherheit.
Die Neuordnung ist jedoch weit mehr als eine formale Anpassung. Sie bietet die Gelegenheit, die nationalen Vorschriften strukturell und inhaltlich weiterzuentwickeln, an moderne technologische Standards anzupassen und bürokratische Belastungen gezielt abzubauen. Unumgänglich ist die Ergänzung der Anforderungen der LSV um technische Vorgaben der AFIR sowie das Vorantreiben digitaler Datenverarbeitung und -vernetzung.
Durch Digitalisierung kann die Reform klare wirtschaftliche Vorteile schaffen.
Aber auch energiepolitisch ist die Reform ein zwingender Schritt: Die Ladeinfrastruktur ist das Rückgrat der Elektromobilität – und damit eine zentrale Säule der Verkehrswende. Ohne verlässliche, nutzerfreundliche und einheitliche Lademöglichkeiten droht der stockende Markthochlauf batterieelektrischer Fahrzeuge.
Ein verlässlicher Rechtsrahmen ist dafür Grundvoraussetzung. Nur wenn Investoren, Kommunen und Anbieter auf klare, durchsetzbare und rechtssichere Standards vertrauen können, wird der Ausbau zügig und bedarfsgerecht erfolgen. Die AFIR liefert hierfür den einheitlichen Rahmen – die nationale Umsetzung muss diesen konsequent aufgreifen, ohne neue Hürden zu schaffen.
Technologieoffenheit darf in diesem Zusammenhang nicht als Synonym für Verzögerung oder Passivität missverstanden werden. Die Reform richtet sich nicht gegen künftige alternative Antriebe, sondern stellt sicher, dass die bereits marktverfügbaren Lösungen wie die batterieelektrische Mobilität jetzt verlässlich funktionieren. Eine stabile, rechtsklare und digital vernetzte Ladeinfrastruktur ist dabei keine Option, sondern eine Voraussetzung.
Der Bundesgesetzgeber ist daher gefordert, die unionsrechtlich gebotene und inhaltlich sinnvolle Anpassung entschlossen und zügig umzusetzen. Die Verkehrswende kann nur gelingen, wenn regulatorische Rahmenbedingungen mit dem technologischen Fortschritt Schritt halten – und der Ausbau der Infrastruktur nicht an rechtlichen Unsicherheiten oder bürokratischen Altlasten scheitert.
