Warum schießen die Strompreise während einer Dunkelflaute plötzlich steil nach oben? – Hans-Josef Fell – Botschafter für 100% Erneuerbare Energien

Als Dunkelflauten bezeichnet man Zeiträume, in denen großräumige Windstille und gleichzeitig starke Bewölkung die Stromerzeugung aus Solar- und Windkraft massiv einbrechen lassen. Diese Phasen dauern großflächig meist nur wenige Stunden an. Während solcher Dunkelflauten steigen die Börsenstrompreise jedoch drastisch an.

Am 11. Dezember 2024 schnellte der Strompreis kurzfristig auf über 1000 Euro pro Megawattstunde (MWh) in die Höhe. Mit zunehmendem Wind sank er in den darauffolgenden Tagen rasch wieder auf die typischen, durch Erneuerbare Energien niedrig gehaltenen Werte von etwa 20 Euro pro MWh. Dies geschah, obwohl weiterhin kaum Sonnenschein herrschte, der Wind jedoch kräftig wehte.

Wenn Sonne und Windenergie gleichzeitig nur geringe Beiträge liefern, steigen die Strompreise an der Börse. Das liegt daran, dass verstärkt Kohlekraftwerke und insbesondere sehr teure Erdgaskraftwerke einspringen müssen. Daraus wird deutlich: Nicht die Erneuerbaren Energien, sondern die konventionellen fossilen Kraftwerke treiben die Preise in die Höhe.

Speisen hingegen viele Solar- und Windkraftwerke sowie andere erneuerbare Energiequellen in das Netz ein, sinkt der Strompreis. In seltenen Fällen fällt er sogar so tief, dass die Strompreise an der Börse negativ werden – das bedeutet, dass man Geld erhält, wenn man Strom kauft.

Rund um die Dunkelflaute kursieren zahlreiche Mythen und Fehlinformationen

In den sozialen Medien aber, wo häufig viele Mythen und Falschinformationen verbreitet werden, wurden die hohen Strompreise, die während der letzten Dunkelflaute im Dezember stundenweise auftraten, dazu genutzt, den Erneuerbaren Energien die Schuld zuzuweisen. Eine komplette Verdrehung der Tatsachen. Tatsächlich sind die durchschnittlichen Strompreise in Deutschland im Jahr 2024 aufgrund des Ausbaus der Erneuerbaren Energien im Vergleich zu 2023 weiter gesunken.

Diese und viele andere Richtigstellungen sind in einem lesenswerten Artikel von Cleanthinking über die Mythen rund um Dunkelflauten hervorragend zusammengefasst.

Wer jedoch nur in einfachen Denkmustern argumentiert, dem genügen auch einfache, wenn auch falsche, Erklärungen, und die Polemik nimmt ihren Lauf. Die konservative schwedische Ministerpräsidentin, Ebba Busch, zuständig für Energie in der schwedischen Regierung, scheint nur wenig Ahnung von den komplexen Zusammenhängen zu haben und polemisiert gleich gegen Robert Habeck.

Selbst der sonst so atomfreundliche und kritisch gegenüber Erneuerbaren Energien stehende Focus bringt einige interessante Fakten und Zusammenhänge, die zeigen, dass Ebba Busch offenbar ziemlich danebenliegt. Interessanterweise war gerade das schwedische Atomkraftwerk Forsmark während der Dezember-Dunkelflaute abgeschaltet, was das Argument, die Atomkraft sei verlässlich und das Fehlen von Atomstrom eine der Ursachen für hohe Preise während Dunkelflauten, in einem besonders fahlen Licht erscheinen lässt. Nichts davon ist wahr.

Komplexität und Ursachen der explodierenden Strompreise in den sehr kurzen Dunkelflautenzeiten sind vielfältig

Eine ganze Reihe oft nicht diskutierter Zusammenhänge haben einen wesentlichen Einfluss auf die gelegentlich hohen Strompreise, nicht nur während Dunkelflautenzeiten. Einige dieser Zusammenhänge zeigen schonungslos die energiepolitischen Fehler der Ära Merkel auf:

  • Teure Stromerzeugung durch fossile Kraftwerke, vor allem Erdgas
  • Fehlender Ausbau von Flexibilitäten mit Wasserkraft, Bioenergie und Speichern während der 16 Jahre Merkel-Regierungen
  • Manipulationen an der Strombörse durch große konventionelle Konzerne
  • Das Setzen auf Börsengeschäfte für den Ausgleich von Börsenstromschwankungen anstelle von Investitionsanreizen in einen verlässlichen dezentralen Mix aus Erneuerbaren Energien und Speichern, organisiert mit Bürgerenergie

Strompreise sind hoch, wenn Solar und Wind schwach sind: Flexible Erneuerbare Energien und Speicher bieten die Lösung

Aus der Erkenntnis, dass bei ungenügender Wind- und Solastromproduktion die Strompreise durch Kohle- und Erdgaskraftwerke in die Höhe getrieben werden, muss in diesen Zeiten auf Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen statt fossilen Brennstoffen gesetzt werden: Auf flexible Erneuerbare Energien und Speicher, die vor allem immer dann zum Einsatz kommen, wenn die Solarenergie wenig liefert – also gerade im Winter. Bioenergie (Biogas, Pflanzenöle, Holzenergie) kann genau das, sie liefert über Kraft-Wärme-Kopplung auch Wärme, die gerade im Winter benötigt wird. Viele Bioenergiedörfern machen das schon seit Jahren vor.

Auch Wasserkraft kann flexibel gesteuert werden. Speicher wie Pumpspeicher, Batterien oder Redox-Flow-Systeme können ihre gespeicherte Energie genau dann zurückliefern, wenn es Dunkelflauten gibt. Ein großflächiger Ausbau dieser flexiblen Erneuerbaren Energien und Speicher ist also die Lösung zur Reduzierung der Strompreise – auch in winterlichen Zeiten mit wenig Solarstrahlung. Natürlich sollten Bioenergieanlagen im Sommer weitgehend ruhen, da dann kaum Wärme benötigt wird. Daher ist die Flexibilisierung von Biogasanlagen, sowohl im Bestand als auch im Neubau, zusammen mit anderen Erneuerbaren Energien und Speichern die richtige Antwort auf die Herausforderung hoher Strompreise in Dunkelflautenzeiten – und nicht der Ausbau weiterer Erdgaskraftwerke, selbst wenn diese wasserstoffready sein sollten.

Die Energy Watch Group hat dazu eine Zusammenstellung erstellt, in dem vorgerechnet wird, dass es keinen Bedarf an neuen klimaschädlichen Erdgaskraftwerken gibt, wenn in Deutschland eine Versorgungssicherheit mit 100% Ökostrom auch in Dunkelflauten gewährleistet wird.

Massive Versäumnisse der 16 Jahre Merkel-Regierungen den Dunkelflautenausgleich zu organisieren

In den Jahren bis 2005 hatten wir rot-grünen Abgeordnete längst Anreize für die Flexibilisierung von Bioenergie, Wasserkraft und den Speicherausbau auf die politische Agenda gesetzt. Mit dem Wechsel 2005 zur Regierung Merkel wurde dieses Thema jedoch nicht mehr ernst genommen. Bis etwa 2012 gab es noch einen nennenswerten Ausbau von Biogas und Wasserkraft, aber Flexibiltätsanreize wurden nicht gesetzt, womit sie also auch im Sommer ähnliche Strommengen liefern, wenn die Solarenergie ohnehin stark war. Für Speicher wurden sogar große Investitionshürden aufgebaut. Ab etwa 2012 brach der Ausbau von Bioenergie und Wasserkraft völlig ein. Selbst die Biogasverbände oder der Bauernverband hatten sich damals kaum für die Flexibilisierung eingesetzt. Erst etwa ab 2015 investierten einige vorbildliche Biogasanlagenbetreiber in die Flexibilität. Der Verein Flexperten entstand und trug das Thema zunehmend vorbildlich in die Politik.

Doch eine gesetzliche Regelung mit einem höheren Flexbonus und dem Abschaffen der blockierenden Ausschreibungen im Biogassektor ist bis heute nicht gelungen, genauso wenig wie echte Anreize für den Ausbaus der Wasserkraft und von Speichern im Stromnetz.

Immerhin hat das grün geführte Wirtschaftsministerium jetzt eine EEG-Novelle mit dem Ziel vorgelegt, Biogasanlagen stärkere Anreize zur Flexibilisierung zu geben. Es ist jedoch weiterhin fraglich, ob und wie dies noch vor der Bundestagswahl im Februar verabschiedet wird und ob die vorgeschlagenen neuen Anreize auch tatsächlich ausreichen.

Festzuhalten ist: Die 16 Jahre unter den Merkel-Regierungen nicht gegebenen politischen Anreize für die Flexibilisierung von Erneuerbaren Energien mit Speichern sind die Hauptursache dafür, dass heute in Dunkelflautenzeiten die Strompreise in die Höhe schießen. Eine vorausschauende Politik hätte das längst angehen können und müssen. Deutschland könnte längst bei 100% Ökostrom sein, ohne Probleme bei der Versorgungssicherheit.

Ich selbst hatte mit der Energy Watch Group schon vor Jahren einen eigenen Vergütungssatz (Kombikraftwerksvergütung) für Erneuerbare Energien ins Gespräch gebracht, der Anreize setzt, dann in das Netz einzuspeisen, wenn es beispielsweise eine Dunkelflautenzeit gibt und nicht nur, wenn Sonne und Wind im Überfluss vorhanden sind. Umgesetzt wurde davon jedoch nichts.

Manipulationen der Strombörsen durch konventionelle Energiekonzerne treiben die Börsenstrompreise zusätzlich in die Höhe

Im EEG 2000 wurde der Ökostrom nicht an der Börse gehandelt. Damals galt das Grundprinzip der Marktwirtschaft, dass ein zahlender Kunde (Stromkunde) auch die Ware (den Ökostrom) erhält. Mit der EEG Novelle 2009 unter dem SPD-Umweltminister Sigmar Gabriel wurde dieses markwirtschaftliche Grundprinzip jedoch abgeschafft. Zwar zahlten die Stromkunden weiterhin die EEG-Umlage, aber der EEG-Strom wurde nun von den Höchstspannungsnetzbetreibern an der Börse verkauft. Meine Warnungen als Obmann im Umweltausschuss des Bundestages wurden nicht ernst genommen, und das Unheil nahm seinen Lauf. Die EEG-Umlage stieg etwa doppelt so stark wie die EEG-Vergütungszahlungen. Ursache war, dass viele Stromkonzerne mit dem Argument der steigenden EEG-Umlage die Strompreise erhöhten, aber die gesunkenen Strombeschaffungskosten durch billige Erneuerbare Energien nicht an die Stromkunden weitergaben. Stattdessen steigerten sie ihre Gewinne.

Zudem wurden schon damals Manipulationen und Betrug an der Strombörse aufgedeckt, die einige Konzerne nutzten, um ihre Gewinne weiter zu steigern. Wer im Internet nach Manipulationen an der Strombörse sucht, findet eine Fülle von Beispielen. So wurden zum Beispiel große Wasserkraftwerke oder Atomkraftwerke gedrosselt, um eine künstliche Knappheit auf dem Strommarkt zu schaffen. Das trieb bereits vor 2010 die Strompreise nach oben und damit die Gewinne der Stromerzeuger aus Atomkraft und Kohle.

Auch 2014 berichtete der Bund der Energieverbraucher über großangelegte Manipulationen an der Strombörse zulasten der Verbraucher.

2021 bestrafte die Bundesnetzagentur Betrüger an der Strombörse.

Es gäbe über noch viel mehr aufgedeckte Fälle zu berichten. Doch all dies scheint nur die Spitze des Eisbergs von Betrügereien und Manipulationen an der Strombörse zu sein.

Auch der Europäische Rechnungshof hatte Manipulationen an der Strombörse angeprangert, was nun die EU-Kommission veranlasste, nach über 20 Jahren endlich gesetzlich gegen diese vorzugehen. Im März 2024 trat dieses Gesetz in Kraft.

Doch selbst dieses neue Gesetz stört große Stromkonzerne nicht, ihre Manipulationen zur Gewinnerhöhung an der Strombörse weiterhin auf Kosten der Stromkunden vorzunehmen. Die letzten Dunkelflauten im Dezember 2024 jedenfalls wurden offensichtlich wieder benutzt um die Konzerngewinne nach oben zu treiben und so die Strompreise zu erhöhen.

Börsenmanipulationen haben jetzt in den Dezember-Dunkelflauten die Strompreise weiter nach oben getrieben

So berichtet BR24 zur Dunkelflaute im letzten Dezember: Die Betreiber deutscher Braunkohle- und Steinkohlekraftwerke seien ihren Verpflichtungen über mehrere Tage nicht nachgekommen und hätten an der Energiebörse deutlich weniger Strommengen angemeldet. Die Betreiber von Gaskraftwerken sprangen nun nicht – wie politisch von Bundesregierung und Netzagentur gewollt – in die Lücke: Sie lieferten ebenfalls viel weniger Strom als üblich. Das bedeutet, dass große Energiekonzerne, die nicht nur Kraftwerke betreiben, sondern zugleich auch Strom liefern, an der sich abzeichnenden Versorgungslücke mit wenig Strom aus Sonne und Wind an den hohen Preisen verdienen, die sie vorher selbst verursachen.

Ausweg: Bürgerenergien mit 100% Erneuerbaren Energien

Übrigens hätten auch RWE, E.On, EnBW oder Vattenfall schon seit vielen Jahren in flexible Erneuerbare Energien und Speicher investieren können, um sich gegen die absehbaren Strompreisschwankungen in den Dunkelflauten zu wappnen. Doch genau das haben sie nicht nennenswert getan – vermutlich, um ihre satten Gewinne, die sie durch Strombörsenmanipulationen genau in diesen Zeiten erzielen können, nicht zu gefährden.

Stattdessen schieben sie in Erklärungen und Interviews, oft unterstützt von willfährigen Journalisten der Bild-Zeitung und Co., den Erneuerbaren Energien die Schuld zu. Ein Großteil der Medien und der Bevölkerung übernimmt diese Narrative unreflektiert, ohne zu merken, dass sie dadurch selbst mit hohen Strompreisen abgezockt werden.

Es wird immer offensichtlicher: Die großen Stromkonzerne werden weiterhin versuchen, ihr klimaschädliches Geschäft mit Kohle und Erdgas zu schützen, während sie gleichzeitig die Stromkunden mit Übergewinnen abzocken.

Da gibt es nur eine Lösung: Liebe Bürgerinnen und Bürger, schließt euch zusammen, organisiert eure Stromversorgung selbst – privat oder in Energiegemeinschaften. Investiert in alle Erneuerbaren Energien: Solar, Wind, Bioenergie, Wasserkraft, Geothermie und Speicher. So erhaltet ihr verlässliche, gut kalkulierbare Energie für euren Strombedarf, eure Heizung und eure E-Mobilität. Was die Konzerne dann noch am fehlerhaften Strommarktdesign manipulieren, ist somit für euch irrelevant.

Ich persönlich hatte auch in den Dezember-Dunkelflauten genug Strom in meinem Haus – auch für Heizung und meine E-Mobilität. Mein Pflanzenöl-BHKW liefert mir Wärme und Strom, selbst wenn die Sonne wochenlang hinter den Wolken verborgen bleibt. Sobald die Sonne wieder scheint, spare ich Pflanzenöl ein. Überhöhte Strompreise in den Dunkelflautenzeiten betreffen mich nicht, da ich keine Strompreise aus dem Netz zahle. Ich kann nicht nachvollziehen, warum nicht mehr Menschen diesen Weg einschlagen. Die Möglichkeiten, dies im Privathaus umzusetzen, sind relativ einfach. Für Mieter und größere Gemeinschaften bieten Energiegemeinschaften die Chance, solche Lösungen kollektiv zu organisieren. Es bleibt für mich ein großes Rätsel, warum so viele Menschen und Unternehmen freiwillig in der Abhängigkeit fossiler Energiekonzerne verharren.

Und warum verbreiten sie deren Konzerninteressen gegen die Erneuerbaren Energien in den sozialen Medien, anstatt sich endlich unabhängig zu machen und kalkulierbare, kostengünstige Erneuerbare Energien für ihre eigene Versorgung selbst zu organisieren?

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Klimaschutz muss sowohl global als auch national beschleunigt und nicht, wie von CDU/CSU geplant, verlangsamt werden – Hans-Josef Fell – Botschafter für 100% Erneuerbare Energien

Aufruf an Mitglieder der Partei Bündnis 90/DIE GRUENEN den unten stehenden Änderungsantrag zum Wahlprogramm „Ein Klima in dem wir gut leben können“ mitzuzeichnen.

2015 wurde in Paris beschlossen, die globalen Treibhausgasemissionen jedes Jahr deutlich zu senken, damit der irdische Temperaturanstieg bei 1,5° C gestoppt werden kann.

2024 ist mit 1,55 °C das Pariser Ziel aber schon überschritten.

Die gesamten CO2-Emissionen werden 2024 voraussichtlich 41,6 Gigatonnen CO2 erreichen – ein neuer Rekord und nochmals zwei Prozent mehr als im bisherigen Rekordjahr 2023.

Diese nüchternen Zahlen belegen, dass das Abkommen von Paris gescheitert ist.

Die alarmierenden Ergebnisse der Klimaforscher erklären, warum Extremwetterkatastrophen weltweit immer häufiger und schwerwiegender werden – zuletzt sichtbar bei den Überschwemmungen in Spanien, bei denen über 200 Menschen ums Leben kamen.

Oder im tödlichen Zyklon Chido, der in Mosambik sowie auf der französischen Insel Mayotte mit ihren 310.000 Einwohnern schwere Zerstörungen angerichtet hat. Es wird befürchtet, dass dort Tausende Menschen ums Leben gekommen sind.

In New York müssen fossile Unternehmen künftig für die von ihnen verursachten Klimaschäden zahlen

Trotz Trumps Wahlsieg gibt es in den USA auch sehr positive Entwicklungen in der Klimapolitik. In New York, der zehntgrößten Wirtschaftsregion der Welt, trat vor wenigen Tagen ein phänomenal weitreichendes Gesetz zu Klimaschutz und Klimaanpassung in Kraft. Mehrere US-Bundesstaaten kündigten an, dem Beispiel zu folgen.

Das neue Gesetz verpflichtet große fossile Brennstoffunternehmen, wichtige Projekte zum Schutz der Bürger von New York zu finanzieren, indem ein Klima-Superfonds geschaffen wird. Dieser unterstützt Projekte, die die Widerstandsfähigkeit des Staates gegenüber Klimaauswirkungen wie Überschwemmungen und extremer Hitze erhöhen.

Bloomberg zufolge wird das neue Gesetz die größten Umweltverschmutzer des Staates dazu verpflichten, über einen Zeitraum von 25 Jahren schätzungsweise 75 Milliarden Dollar zu zahlen, um New Yorks Infrastruktur besser gegen Überschwemmungen und andere klimabedingte Ereignisse zu wappnen.

Auch Deutschland und die EU sollten Gesetze wie New York erlassen, anstatt weiterhin die fossile Wirtschaft mit Subventionen zu stützen.

In Deutschland wäre ein solches Gesetz dringend erforderlich. Im Jahre 2024 lagen die versicherten Schäden durch Unwetter erneut auf einem sehr hohen Niveau von 5,5 Milliarden Euro.

Es wird Zeit, dass auch in Deutschland und der ganzen EU ähnliche Gesetze wie in New York geschaffen werden, ansonsten werden Unwetterschäden bald nicht mehr versicherbar sein und die staatlichen Haushalte mit der Schadensbegleichung von Extremwetterschäden überlastet sein. Dies würde zudem die Finanzkraft der fossilen Klimaverschmutzer schwächen, in neue klimaschädliche Projekte wie LNG-Terminals, Erdgaskraftwerke, blauen Wasserstoff oder CCS zu investieren. Damit könnte sofort auch mehr Klimaschutz erreicht werden.

Schon im Wahlkampf sollte das Thema angegangen werden, Klimaverschmutzer wie Shell, BP, Exxon, Gazprom, BASF, RWE oder E.ON zur Verantwortung zu ziehen und die durch sie verursachten Schäden zu begleichen.

Aber auch in Deutschland gibt es stattdessen milliardenschwere Subventionen für die fossile Wirtschaft und damit für die Klimaaufheizung. So hat gerade die EU-Kommission eine staatliche Beihilfe aus Steuergeldern in Höhe von 4 Mrd. Euro für den Bau von vier schwimmenden LNG-Terminals genehmigt.

Die fossilen Subventionen und Unwetterschadensbegleichungen belasten den Staatshaushalt mit zig Milliarden sehr hoch. Klimaschutz hingegen wird oft als nicht bezahlbar angesehen, da die Schuldenbremse ansonsten nicht eingehalten werden könnte – eine Verdrehung der wahren Verhältnisse.

In den letzten Monaten scheiterte die Ampelkoalition vor allem auch an der Diskussion um die Schuldenbremse und Staatsausgaben für die Finanzierung von Klimaschutz. Doch bei Milliardenbeträgen für fossile Subventionen oder Schäden, die durch fossile Nutzung entstehen, herrscht in Deutschland erstaunliche Ruhe. Dies liegt wohl daran, dass Politiker wie Merz, Spahn, Söder, Lindner und Co. ständig hohe Staatsausgaben im Bereich des Klimaschutzes kritisieren, nicht jedoch für den fossilen Sektor.

Für die sündhaft teure Atomenergie fordern sie sogar neue Investitionen, die es – wenn überhaupt – nur mit massiver staatlicher Hilfe geben kann.

Die Weltgemeinschaft braucht also einen deutlich ambitionierteren Klimaschutz, sowohl global als auch national

Damit die Menschheit mit ihrer Zivilisation in den nächsten Jahrzehnten noch eine Chance zum Überleben hat, müssen die Klimaschutzmaßnahmen massiv verstärkt werden: global, auf EU-Ebene und auch national.

Doch die politischen Tendenzen gehen in die andere Richtung. Die Bundestagswahl wird eine zentrale Bedeutung haben, ob Deutschland sich endlich auf einen starken Klimaschutzpfad begibt, der gleichbedeutend ist mit einer industriellen Revolution der sauberen Technologien, wie es uns China immer deutlicher vormacht – – oder ob es sich in eine Richtung bewegt, wie die USA unter Trump, die immer mehr Erdöl, Erdgas und Kohle fördern wollen.

Leider zeigen viele Wahlaussagen der konkurrierenden Parteien im Bundestag, dass sie diese Herausforderungen nicht annehmen, sondern teilweise den menschgemachten Klimawandel leugnen, wie die AfD, oder auf Energiekonzepte setzen, die das Klima weiter aufheizen, wie die Partei BSW, die wieder zurück zum russischen Erdöl steuern will – womit die selbsternannte Friedenspartei die russische Kriegskasse weiter auffüllen will.

Gründer der Klimaunion verlässt die CDU

Schlimm und ernüchternd ist die jüngere Entwicklung in der Union. 2021 wurde die Klimaunion gegründet, um innerhalb von CDU und CSU dem Klimaschutz eine stärkere Durchschlagskraft zu geben. Anfänglich mit durchaus bemerkenswerten Erfolgen, insbesondere mit einem erfreulichen Zulauf vieler Parteimitglieder. Doch mit den jüngsten Entwicklungen der Geringschätzung einer guten Klimaschutzpolitik, insbesondere an der Unionsspitze, ist der Gründer der Klimaunion, Heinrich Strößenreuther, jetzt aus der CDU ausgetreten und plant, zu den Grünen zu wechseln.

Strößenreuther kritisiert, wie CDU-Spitzenkräfte wie Friedrich Merz, Jens Spahn und Markus Söder zuletzt gegen Klimapolitik und die Grünen gewettert haben, sowie ihr rhetorisches Rücken an den rechten Rand – ganz im Stile von Trump. Dabei wird sowohl der Umgang mit Fakten als auch die Verkennung der wirtschaftlichen Zusammenhänge im Hinblick auf die globale, längst stattfindende Transformation hervorgehoben.

Bündnis 90/Die Grünen vertreten die stärkste Klimaschutzpolitik aller im Bundestag vertretenen Parteien

Mit großem Vorsprung vor den anderen im Bundestag vertretenen Parteien verfolgen Bündnis 90/Die Grünen eine aktive und offensive Klimaschutzpolitik. Erfolge konnten sie nach 16 Jahren Stillstand unter Kanzlerin Merkel in der Ampelkoalition gegen alle Widerstände aus der FDP verzeichnen, wie etwa mit einem wiedererstarkten Ausbau der Solarenergie oder einem starken Moorschutzprogramm. Der Entwurf des Wahlprogramms der Grünen https://www.gruene.de/artikel/zusammen-wachsen hebt sich in puncto Klimaschutz stark positiv von denen anderer Parteien ab.

Dennoch wird auch dieses Klimaschutzprogramm der Grünen nicht den Herausforderungen gerecht, die sich aus der oben beschriebenen katastrophalen Aufheizung der Erde ergeben.

Daher haben Jürgen Kurz, vom Kreisverband Bündnis 90/Die Grünen Mayen Koblenz, und ich einen Änderungsantrag zur Klimaschutzpolitik im Wahlprogramm der Grünen eingebracht.

Wir empfehlen den Mitgliedern von Bündnis 90/Die Grünen diesen konkretisierenden Änderungsantrag zu unterstützen. Das geht über diesen Link und die Anmeldung im grünen Netz.  Dort findet sich auch den Antragstext:

https://antraege.gruene.de/aobdk2025/in-die-zukunft-wachsen-okologisch-und-okonomisch-39500/20225

Hier der Antragstext im Wortlaut:

Der nachfolgende Text soll den Text von Zeile 632 – 664 komplett ersetzen:

Die Staatengemeinschaft hat sich mit dem Paris-Abkommen darauf verständigt, die Klimakrise einzudämmen. Aber wir wissen: Alle bisher getroffenen Vereinbarungen reichen nicht aus! Auch 2024 wurden wieder mehr Treibhausgase als jemals zuvor in die Erdatmosphäre frei gesetzt und die CO2 Konzentration erreicht einen Wert von 425 ppm. Wissenschaftler haben schon lange berichtet, um das Klima für menschliche Zivilisation überlebensfähig zu halten, muss die CO2 Konzentration wieder auf unter 350 ppm gesenkt werden! Eine gigantische Aufgabe die nur mit intensiver globaler und ideologiefreier Zusammenarbeit zu bewältigen ist. Wir haben Deutschland und Europa wieder auf einen Pfad gebracht, um diese Aufgabe angehen zu können. GRÜNE Klimaschutzpolitik setzt nicht auf Verzicht sondern auf intelligentes Umsteuern und globale internationale Kooperationen. Die letzte Klimakonferenz in Baku hat gezeigt, dass Deutschland und Europa gemeinsam mit der aufstrebenden wirtschaftlichen Supermacht China, eine positive Entwicklung anstoßen können. Wir wollen mit einer intelligenten Industriepolitik dafür sorgen,

  • dass Klimaschutztechnologien preislich für jeden Hauseigentümer erschwinglich auf dem Markt angeboten werden können,
  • der Strompreis durch den gezielten Ausbau regenerativer Energie- und intelligenter Speichersysteme weiter sinkt,
  • E-Mobilität und andere CO2 freie Antriebssysteme sich schnell auf dem Markt durchsetzen können
  • Eine CO2 freie Kreislaufwirtschaft und Produktion sich im Produktionsstandort Deutschland durchsetzt.
  • Eine Industrie sich bildet die disruptiv CO2 Senken entwickelt und daraus neue nachhaltige Produkte erstellt.
  • Erfolgreiche Klimaschutzpolitik ist innovativ, schafft Arbeitsplätze, hilft den Menschen Kosten zu sparen und begeistert. Mit dem Green Deal der EU wurde versucht, den Klimaschutz als gesamt Europäisches Konzept festzuschreiben. Wir werden daran arbeiten den Green Deal weiter an den Herausforderungen der rasant fortschreitenden Erdaufheizung fortzuentwickeln. Die Beteiligung der Wirtschaft ist zur Umsetzung dieser Maßnahmen unverzichtbar. Dafür braucht sie aber Planungssicherheit. Es hängt deshalb vom entschiedenen Handeln der nächsten Bundesregierung ab, ob die unverzichtbaren Klimaziele auch erreicht werden können.
    Bündnis 90/DIE GRÜNEN sind die einzige politische Kraft, die voll hinter dieser Idee stehen. Es geht um nicht mehr als das Überleben der Menschheit auf unserem Planeten!

Begründung für den Antrag:

Wir plädieren dafür, das Thema Klimawandel bei dieser wichtigen Wahl offensiver anzugehen. Das erwarten alle Unterstützer unserer Partei. Die einzelnen Konzepte sind eigentlich klar und können, wie in unserem Änderungsantrag, auch konkret benannt werden. Der Text soll für Leser konkret und schlüssig sein und zum Ausdruck bringen, dass Klimaschutz im Einklang mit der Wirtschaft erfolgen kann und viele Chancen bietet.

Der Hinweis auf die aktuell vorhandenen 425 ppm ist elementar und fehlt bei allen Debatten. Den Menschen muss bewusst werden, wie die Erde aussah, als wir das letzte Mal vor rund 15 Mio. Jahren 420 ppm CO2 in der Atmosphäre hatten:

Meeresspiegel 30 Meter höher, Grönland eisfrei, Kanada mit tropischen Regenwäldern.

Wir befinden uns wieder auf diesem Pfad, und der Kampf dagegen muss von der Menschheit aufgenommen werden. Leider haben alle bisherigen Klimakonferenzen im Hinblick darauf nicht das notwendige Ergebnis gebracht.

Wir können diesen Kampf erfolgreich bewältigen, wenn wir bereit sind, mit der Welt an diesem Thema intensiv zusammen zu arbeiten. Wir in Deutschland können es allein nicht leisten!

Die technischen Möglichkeiten sind vorhanden und genügend Wissenschaftler stehen bereit, daran mitzuwirken. Es gibt keinen Grund, das nicht konkret und positiv zu benennen!

Wer diesen Antrag mitunterzeichnet, hilft mit, den Klimaschutz zu einem noch stärkeren Signal im grünen Wahlprogramm zu machen.

Wie wichtig das ist, zeigen die jüngsten Enthüllungen von Correctiv.

Lobbyisten Einfluss der Erdöl- und Erdgaswirtschaft nimmt auch in Deutschland Ausmaße an wie in den USA unter Trump

Correctiv hat erst kürzlich die fast unglaublichen Einflüsse US-amerikanischer Institute, die den Klimawandel leugnen, auf die FDP, CDU und CSU aufgedeckt. Diese unterstützen die klimaschädliche fossile Wirtschaft, ähnlich wie in der republikanischen Ecke Trumps in den USA.

Correctiv beschreibt genau, wie Trumps klimafeindliche Pläne in die deutsche Politik gelangen. Es ist eigentlich unfassbar zu lesen, wie gerade in den letzten Monaten klimawandelleugnende US-Think Tanks mit Hilfe und Finanzierung des weltumspannenden Atlasnetzwerk die Zusammenarbeit mit FDP, CDU und CSU verstärkt haben, um so Trumps Klimaschutzfeindlichkeit nach Europa bringen.

Ähnlich erschreckend ist ein anderer Correctiv-Bericht über die engen Verbindungen vieler AFD-SpitzenpolitikerInnen zu Trump.

Viele Antiklimaschutz-Thesen finden sich auch bei BSW-Politikern. So wirbt Sarah Wagenknecht offen für ein Ende des Boykotts russischer Erdöllieferungen.

Wer die CDU wählt, muss wissen, dass er damit zunehmend Trump-Einfluss in der deutschen Politik unterstützt

Die politische Entwicklung zum Klimaschutz in Deutschland und der EU sollte für alle höchst besorgniserregend sein. Heinrich Strößenreuther hat mit seinen vielen Insiderblicken in der Klimaunion diese Entwicklung genau beobachtet und deshalb mit seinem CDU-Austritt ein warnendes Zeichen gesetzt. Die immer stärkere Annäherung der CDU/CSU an die Antiklimaschutz-Politik Trumps ist höchst besorgniserregend.

Es kommt also viel stärker auf die kommende Bundestagswahl an, wenn der Klimaschutz auch in Deutschland wieder aktiv Fuß fassen will. Alle WählerInnen sollten genau hinhören und mehr Sensibilität zeigen, da die Trumprethorik nach mehr Erdöl-, Kohle-, Erdgas und Atomkraft auch bei Spitzenpolitikern der CDU/CSU/FDP/AFD/BSW immer offensichtlicher wird.

Sollte nach der Wahl eine sich aufbauende Achse Trump – Merz für mehr Erdöl, Erdgas, Kohle und Atomkraft entstehen, wird es für den Klimaschutz zu spät sein. Die Alarmzeichen der Klimaforscher sind bereits schrill. Wenn in diesem Jahrzehnt noch mehr Zeit verstreicht, um endlich auf eine Politik des schnellen Ausstiegs aus Erdöl, Kohle, Erdgas zu setzen, dann werden wir wohl immer schneller in solchen Wetterextremen und dem steigenden Meeresspiegel untergehen, wie sie bereits Städte wie Valencia, Ahrtal und Mayotte  heimsuchten.

Uns bleibt nur wenig Zeit in diesem Jahrzehnt, um noch komplett umzusteuern. Die stürmische Entwicklung der saubere,n emissionsfreien Industrie vor allem aus China kommend, ist sehr hoffnungsvoll und macht Mut. Diese kann und muss auch bei uns stärker aufgegriffen werden. Doch dazu braucht es eine klare offensive Klimapolitik, also komplett andere Konzepte als die der CDU/CSU/FDP/AFD/BSW.

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Besinnliche Feiertage und alles Gute für das neue Jahr! – Hans-Josef Fell – Botschafter für 100% Erneuerbare Energien

Liebe Leser*innen,

ein turbulentes Jahr neigt sich dem Ende zu, und ich möchte mich auf diesem Wege ganz herzlich für das mir entgegengebrachte Vertrauen bedanken.

In Zeiten wie diesen, in denen durch wachsenden Hass, Hetze, Lügen und Desinformation sogar schlimmste Gewalt entstehen kann, ist es umso wichtiger, Wahrheiten und menschliche Wärme zu verbreiten. Wahrheit und gesellschaftliches solidarisches Handeln sind die Grundlagen um den globalen Herausforderungen wie der Erdaufheizung zu begegnen. Treten wir gemeinsam und entschlossen weiter für die notwendigen Veränderungen ein, die Klimaschutz und Frieden bringen.

Stillstand im Klimaschutz dürfen wir uns nicht leisten. Es ist unsere Verantwortung, mutig voranzugehen und weiterhin alle Kräfte dafür einzusetzen, eine Zukunft mit 100 % Erneuerbaren Energien zu gestalten. Nur durch konsequentes Handeln können wir unsere gemeinsame Zivilisation auf dem Planeten schützen und kommenden Generationen eine lebenswerte Welt hinterlassen.

Ich danke Ihnen von Herzen für Ihre Unterstützung und Ihr Engagement in diesem Jahr. Lassen Sie uns diesen Weg gemeinsam weitergehen – für eine gemeinwohlorientierte, gerechte, solidarische und nachhaltige Gesellschaft.

Mit den besten Wünschen für ein friedvolles und hoffnungsvolles neues Jahr,

Ihr Hans-Josef Fell

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Internationales Plastikabkommen gescheitert Die globale Plastikverseuchung geht ungebremst weiter – Hans-Josef Fell – Botschafter für 100% Erneuerbare Energien

Auf dem letzten Weltgipfel zur Eindämmung des Plastikmülls in Busan, Südkorea, wurde erneut kein Ergebnis erzielt und eine Beschlussfassung auf das nächste Jahr verschoben. So geht das nun schon seit einigen Jahren. Verhindert haben selbst ein Minimalergebnis die Ölstaaten.

Quelle: https://www.tagesschau.de/wissen/suedkorea-busan-abkommen-plastikmuell-100.html

Inzwischen wachsen die Plastikmüllberge immer weiter, die Meere und viele Landschaften werden mehr und mehr zugemüllt, die Mikroplastikverseuchung schädigt unser aller Gesundheit und auch die Erdaufheizung wird über den Plastikmüll immer mehr angefacht. Dabei sind die Plastikreste nicht nur in den Meeren tödlich für viele Fische. Vor vielen Jahren zeigte mir ein Forscher eine Dokumentation aus Abu Dhabi über verendete Kamele, Wüstenfüchse und andere Tiere, die am unverdaulichen Plastik in ihren Mägen gestorben sind.

Laut Statista produziert die Welt mehr Plastik als jemals zuvor. Das zeigen aktuelle Daten des Wirtschaftsverbands PlasticsEurope. Demnach stieg die Menge des weltweit produzierten Kunststoffs 2023 auf rund 414 Millionen Tonnen – das sind fast zwölf Prozent mehr als fünf Jahre zuvor. Grundlage für all dieses Plastik sind zu über 90 Prozent fossile Rohstoffe wie Erdöl oder Erdgas. Recycelte Kunststoffe spielen dagegen – anders als viele Verpackungen im Supermarkt suggerieren – nur eine untergeordnete Rolle, wie der Blick auf die Statista-Grafik zeigt. Zuletzt lag ihr Anteil an der globalen Plastikproduktion bei rund neun Prozent. Und wie sieht es mit Kunststoffen auf Basis biologischer Rohstoffe aus? Mit 0,7 Prozent spielt Plastik aus Stärke- und cellulosereichen Pflanzen wie Mais oder Miscanthus, Ölsaaten oder Holz praktisch keine Rolle.

Quelle: https://de.statista.com/infografik/33577/menge-des-weltweit-produzierten-kunststoffs-nach-genutzten-rohstoffen/

Erdölwirtschaft verhindert Kreislaufwirtschaft mit Biokunststoffen

Ähnlich wie die Erdölstaaten auf der letzten UN-Klimakonferenz in Aserbaidschan wirksame Klimaschutzmaßnahmen verhinderten, haben die Lobbyisten der Erdölwirtschaft eine Lösung für die immer schlimmer werdene Verseuchung der Erde mit Plastikmüll auch auf dem Plastik-UN-Gipfel in Busan scheitern lassen.

Deren Interessen sind klar: Bestandschutz für die immensen Gewinne aus den Geschäften mit Erdöl, Erdgas und Kohle. Diese Profitgier ist unersättlich. Sie behindert gleichermaßen den globalen Umstieg auf 100% Erneuerbare Energien und ebenso die Umstellung von der fossilen Petrochemie auf Biokunststoffe.

Selbstverrottbare Biokunststoffe sind die entscheidende Lösung

Eine Rohstoffbasis für Kunststoffe aus Pflanzen, Algen, Pilzen oder Bakterien wäre die wichtigste Strategie, um die weitere Plastikvermüllung der Erde und die Klimaaufheizung durch Plastik zu beenden. Wenn Biokunststoffe so designt werden, dass sie nach Ende der

Nutzungsdauer kompostierbar sind, liegt eine echte Kreislaufwirtschaft vor. Wichtig ist auch ein regenerativer Pflanzenanbau für die Rohstoffe, der naturverträglich ist, also ohne Pestizide und Mineraldünger auskommt.

Forschung und Entwicklung sowie Start-ups dafür gibt es seit vielen Jahrzehnten.

So hat die Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe (FNR), bei der ich bis heute Mitglied im fachlichen Beirat bin, hervorragende und vielfältige Biokunststoffprodukte seit über 20 Jahren auf den Weg gebracht. Doch eine industrielle Umsetzung im nennenswerten Maßstab hat bis heute nicht stattgefunden. Quelle: https://mediathek.fnr.de/biokunststoffe.html

Selbst in China behindert die Erdöllobby den Aufschwung der Biokunststoffe

Jüngst besuchte ich in Bengbu, China, die Firma BBCA. Sie ist mit über 2000 Mitarbeitern im Sektor Biokunststoffe einer der größeren Hersteller von kompostierbaren Verpackungsmaterialien, Plastikflaschen, Geschirr, ja sogar Kleidung aus Pflanzenstärke oder Holz.

Der Vizepräsident von BBCA, Herr Highway He, sagte mir gleich anfangs im Gespräch unverblümt, dass der größte Feind von BBCA die Erdölwirtschaft sei, da sie ihr Geschäft mit Kunststoffen aus Erdöl gefährdet sehen.

Ich war verblüfft über diese klare Offenheit und konnte ihm nur zustimmen.

Die Plastikberge aus Erdöl wachsen immer schneller

Die letzten Entwicklungen sprechen für sich. Seit der Covidkrise gab es wieder einen großen Anstieg des globalen Erdölverbrauchs. Die Petrochemie verantwortet 60% dieses Wachstums. Quelle:

https://globalenergyprize.org/en/2024/07/05/petrochemicals-provide-60-of-increase-in-oil-demand-after-covid-19-pandemic/

Es ist so klar: Auch die Erdölindustrie sieht das Heraufziehen des Endes vom Erdöl als Kraftstoff im Verkehr durch das rasante Wachsen der E-Mobilität. Somit tut sie alles, um wenigstens die Petrochemie am Wachsen zu halten, allen Problemen der globalen Plastikverseuchung und der Erdaufheizung zum Trotz.

Selbst Umweltschutzverbände finden keine Lösung

Ich habe einige Interviews von Umweltverbänden wie Greenpeace oder WWF zu ihrer Enttäuschung über die ergebnislose UN-Konferenz gehört. Sie kritisierten zu Recht, dass es keine Einigung in Busan gab. Ihre Forderungen sind aber nicht geeignet, die Plastikverseuchung der Erde an der Wurzel zu packen und so das Problem zu lösen. Ihre Vorschläge sind im Wesentlichen: eine Produktionsobergrenze der Plastikproduktion und höhere Recyclingquoten. Das Ziel des Wechselns der Rohstoffbasis in der Plastikwirtschaft hin zu nachwachsenden Rohstoffen sprachen sie überhaupt nicht an.

Bezeichnend und beispielhaft für das Versagen der Umweltverbände ist die große Aktion von WWF zur Plastikkonferenz in Busan.

Hunderttausende Menschen haben unterschrieben, weil sie ein Ende der Plastikvermüllung wollen.

Doch wenn man sich den Forderungskatalog von WWF anschaut, so ist der doch sehr dünn. Nur Vermeidung, ein Verbot von vermeidbarem Plastik, eine nicht näher spezifizierte Obergrenze der Plastikproduktion und mehr Recycling wird gefordert. Quelle: https://www.wwf.de/themen-projekte/plastik/globales-abkommen

Damit entpuppen sich die großen Umweltverbände wie so oft selbst als Bremser zur echten Kreislaufwirtschaft, da sie eine Chemie auf Basis von Naturrohstoffen wie Pflanzen, Algen und Pilzen nicht als entscheidende Lösung ansehen.

Selbst wenn es eine Einigung im nächsten Jahr auf eine Produktionsobergrenze von vielleicht 300 Millionen Tonnen Plastikmüll geben sollte und die Recyclingquote von 9% auf vielleicht 50 % gesteigert werden sollte, so landen immer noch viel zu große Mengen in den Flüssen und Meeren, in den Fluren, Wüsten und Wäldern, teilweise unverrottbar über Jahrtausende. Oder sie landen in der Müllverbrennung, wo sie dann als CO2 aus dem Schornstein entweichen.

Da große Umweltverbände wie z.B. der WWF die zentrale Forderung für einen Wechsel der fossilen Rohstoffbasis hin zu Naturstoffen nicht erheben, stützen sie voll die Interessen der Erdölwirtschaft, eben die Rohstoffbasis fossil zu lassen – wie beispielsweise der WWF – Ähnlich ist das auch bei Greenpeace, Nabu oder BUND.

Natürlich sind Vermeidung von Plastik und Recycling ein wichtiger Beitrag. Doch sie alleine sind keine Lösung. Recycling von petrochemischen Produkten kann immer nur ein Downrecycling sein. Am Ende der mehrfachen Recyclingschleifen bleiben doch riesige Müllmengen nicht mehr weiter recycelbarer Kunststoffe, die dann in die klimaschädliche Müllverbrennung oder auf ungesicherte Deponien in Afrika oder Asien wandern.

Biokunststoffe sind im Gegensatz zur Petrochemie Klimaschutz und Kreislaufwirtschaft

Eine echte Kreislaufwirtschaft kann es eben nur mit Biokunststoffen geben. Pflanzen, Algen und Pilze wachsen indem sie CO2 aus der Atmosphäre holen. Aus ihnen können Rohstoffe, wie beispielsweise Bionaphta, gewonnen werden, die die Basischemikalie für viele Kunststoffe ist, aber auch für Kraftstoffe, Farben, Kleber u.a.

Die so hergestellten Biokunststoffe landen – sofern sie kompostierbar hergestellt wurden –nach der Nutzungsdauer z.B. auf dem heimischen Kompost oder in der Kompostieranlage und werden so zu wertvollem Humusboden, wo der vormalige der Atmosphäre entnommene Kohlenstoff gespeichert wird. Der Kohlenstoffkreislauf ist im besten Falle sogar CO2-senkend, aber auf jeden Falle CO2-neutral, sofern die Pflanzen im Bioanbau und nicht mit einer intensiven Pestizidlandwirtschaft angebaut werden.

Das aber ist genau die Angst, die viele Umweltverbände umtreibt: Biokunststoffe würden ja nur aus intensiver Landwirtschaft kommen und seien nicht umweltverträglich. Doch damit stützen sie die klimaschädliche Nutzung von Erdöl, Erdgas und Kohle auch in der Petrochemie (Kunststoffe, Kraftstoffe, Farben u.a.).

Zudem haben auch Kompostierfirmen in den letzten Jahren erheblichen Schaden angerichtet. So wenden sie sich gegen die Aufnahme von kompostierbaren Mülltüten, vor allem, weil deren Verrottungsdauer zu lange dauere für ihre gewohnten Abläufe in der Biomüllkompostierung. Quelle: https://www.abfallwelt.de/abfaelle/kompostierbare-biomuellbeutel/

Statt ihre Arbeitsabläufe den kompostierbaren Biokunststoffen anzupassen und mit der Biokunststoffwirtschaft zusammenzuarbeiten, um die Kompostiereigenschaften der Biokunststoffe zu optimieren, verbieten sie einfach die Nutzung von Biomüllbeuteln.

In meinem häuslichen Kompost kompostieren meine Biomüllbeutel hervorragend.

Damit erweisen die Kompostierer, Umweltbehörden und viele Umweltverbände der Umstellung auf biobasierte Kunststoffe einen Bärendienst und unterstützen so weiter die Erdölchemie mit ihren klimaschädlichen Entsorgungswegen über die Müllverbrennung.

Auch langlebiger Plastik zersetzt sich in der Natur zu CO2

Manchmal hört man das Argument, dass diese petrochemischen Kunststoffe sehr langlebig seien und nicht verrotten können und so als Müll in der Landschaft oder im Meer wenigstens nicht das Klima aufheizen. Mikro- und Makroplastik in den Meeren würden noch über Jahrhunderte dort verbleiben.

Doch auch das widerlegen neuere Forschungen: Selbst in der kalten Arktis zersetzen Mikroorganismen Mikro- und Makroplastik unter Freisetzung von CO2. Quelle:

https://www.tagesschau.de/wissen/forschung/bakterien-plastik-arktis-100.html

Und selbst Mikroplastik in den Meeren wird von Bakterien zersetzt. Abbauprodukt ist CO2. Quelle:

https://www.mdr.de/wissen/mikroben-bakterien-enzyme-fressen-zersetzen-plastik-plaste-100.html

Tolle Beispiele für plastikfreien Einkauf und Bioplastik

Was kann denn Verbraucher tun, um mitzuhelfen die Plastikverseuchung der Erde zu beenden?

Zunächst ist es natürlich bestens erdölbasierte Kunststoffe zu vermeiden. Es gibt immer mehr Läden und Online Shops, die plastikfreie Waren und Verpackungen anbieten:

https://utopia.de/ratgeber/plastikfrei-einkaufen-die-besten-onlineshops-im-vergleich_13530/

Viele Firmen versuchen die Dominanz der Erdölchemie zu durchbrechen und setzen auf Biokunststoffe.

Zum Beispiel mit selbst verrottenden Pflanztöpfen aus Pflanzen:

https://www.meinwoody.de/collections/baum-anzuchtsets

Oder Biochemie aus Meeresalgen:

https://www.wissenschaft.de/erde-umwelt/wertvoller-algen-dschungel/

Oder Gras als Rohstoff für Textilien, Bio-Plastik, Carbonfasern, Flugbenzin:

https://www.wissenschaft.de/technik-digitales/der-gruene-gigant/

Es gibt längst umfassende Forschungen, wie Biokunststoffe aus Bionaphta, dem chemischen Grundstoff für Kunststoffe, Farben, Lacke, Kleber, Kraftstoffe wie Flugbenzin u.a. hergestellt werden können:

https://renewable-carbon.eu/publications/product/bio-based-naphtha-and-mass-balance-approach-status-outlook-standards-certification-schemes/

Auch faserbasierte Bio-polymerwerkstoffe sind inzwischen entwickelt:

https://technikumlaubholz.de/faserbasierte-biopolymerwerkstoffe/

Es gäbe noch viele weitere Beispiele anzufügen.

Alle diese wertvollen Forschungsergebnisse, Start-ups und etablierten Unternehmen brauchen unsere Unterstützung als VerbraucherInnen sowie politische Unterstützung, damit sie schnell wachsen und die klimaschädliche und plastikverseuchende Petrochemie ablösen können. Ganz so wie wir es mit der Umstellung auf 100% Erneuerbare Energien statt Energie aus Erdöl, Erdgas, Kohle und Atom anstreben.

Solange aber viele Umweltverbände und mit ihnen viele Umweltminister Biokunststoffe, genauso wie Biokraftstoffe, von vornherein nicht in den Mittelpunkt ihrer Forschungen und politischen Unterstützung stellen, werden sie keine Lösung zur Plastikvermüllung der Meere und der Landschaften finden, sondern nur das klimaschädliche Geschäft der Erdölindustrie weiter stützen.

Selbst wenn es in einem Jahr ein UN-Plastikmüllabkommen mit Obergrenzen für die Produktion und einer hohen Recyclingquote gäbe, so würde die Plastikvermüllung der Erde nicht gestoppt, da es eben auch dann keinen Wechsel hin zu selbstverrottbarem Bioplastik aus nachwachsenden Rohstoffen gäbe.

Quelle: Read More

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Guancha-Interview: Hans-Josef Fell über Erneuerbare Energien und Klimaschutz mit Lehuan Zheng – Hans-Josef Fell – Botschafter für 100% Erneuerbare Energien

Kürzlich wurde auf Guancha, einer der größten Informationsplattformen Chinas, ein Interview mit mir veröffentlicht.
Hier ist der Link zum Interview auf Guancha:
https://www.holoceneproject.org/holocene-project

Das Interview führte der Journalist Lehuan Zheng.
Guancha erreicht über verschiedene Kanäle eine Leserschaft von 120 Millionen Menschen und wird insbesondere auch im akademischen Bereich häufig gelesen.

Lesen Sie hier die deutsche Übersetzung des Interviews:

Zheng:

Erneuerbare Energien wurden in Deutschland in den 1990er Jahren gefördert. Im Jahr 2000 trat das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in Kraft, das seitdem von vielen Ländern nachgeahmt wurde und die Entwicklung der Erneuerbaren Energien gefördert hat. Welche Hindernisse gab es in dieser Zeit bei der Förderung dieses Gesetzes in Deutschland?

Fell:

Die Verabschiedung des EEG im Jahr 2000 war ein großer Erfolg. Es legte den Grundstein für das exponentielle Wachstum der Erneuerbaren Energien, zunächst in Deutschland und dann in vielen anderen Ländern. Damals wie heute haben die großen Konzerne der Atom- und fossilen Energiewirtschaft (Kohle, Erdöl, Erdgas) gegen das EEG lobbyiert. Auch die konservativen und liberalen Parteien stimmten gegen das EEG. Aber wir Parlamentarier von den Sozialdemokraten und den Grünen blieben standhaft und haben das EEG gegen alle Widerstände verabschiedet.

Zheng:

Seitdem hat Deutschland das Erneuerbare-Energien-Gesetz kontinuierlich überarbeitet. Anfang 2024 erreichte der Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung in Deutschland einen neuen Rekordwert, wobei Windenergie, Solarenergie, Biomasse und Wasserkraft 58% des deutschen Stromverbrauchs deckten. Sind Sie auf der Grundlage dieser Daten der Meinung, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz in Deutschland effektiv umgesetzt wurde? Was kann/sollte für die weitere Entwicklung in Zukunft tun?

Fell:

Im ersten Halbjahr 2024 lag der Anteil Erneuerbarer Energien an der Nettostromerzeugung bei 65%. Leider wurde das exponentielle Wachstum der Erneuerbaren Energien jedoch durch diverse EEG-Novellen, die von konservativen Politikern ab 2012 eingebracht wurden, abrupt gestoppt. Insbesondere der Solarmarkt und später auch der Windmarkt brachen stark ein. Wäre das exponentielle Wachstum weitergegangen und eine starke Initiative für die Speicherung ergriffen worden, wäre die deutsche Stromversorgung heute bereits zu 100% erneuerbar. Glücklicherweise hat China die technologische Erfolgsgeschichte der Erneuerbaren Energien durch die Übernahme der Grundprinzipien des EEG fortgeschrieben. Als Vorstandsmitglied der deutsch-chinesischen Parlamentariergruppe war ich oft zu politischen Gesprächen in China und habe mich immer für ein chinesisches EEG eingesetzt. Heute ist China der absolute Weltmarktführer für alle Erneuerbaren Energietechnologien, Speicherung und E-Mobilität. Dies ist gut für den Klimaschutz auf dem Planeten Erde, aber ein Problem für die Industrie in Deutschland und Europa, die immer noch zu stark auf fossile und nukleare Technologien statt auf Erneuerbare Energien setzt. Deutschland und die EU müssen sich wieder viel stärker auf Erneuerbare Energien und andere emissionsfreie Technologien konzentrieren. Dies würde den globalen Klimaschutz fördern und die nationale Industrie könnte wieder wachsen, anstatt mit dem Niedergang der fossilen Brennstoffindustrien zu schrumpfen.

Zheng:

Im Jahr 2021 verabschiedete Deutschland das Bundes-Klimaschutzgesetz, das neue Emissionsziele festlegt und bis 2045 auf null Treibhausgasemissionen abzielt, was fünf Jahre vor dem Ziel der EU liegt. Um dieses Ziel zu erreichen, muss Deutschland seine Energieversorgung grundlegend ändern. Welche Anpassungen hat Deutschland an seiner Energiepolitik vorgenommen, um dieses Ziel zu erreichen?

Fell:

In den letzten drei Jahren ist es der Koalition aus Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen gelungen, mit Änderungen am Erneuerbare-Energien-Gesetz den Ausbau Erneuerbarer Energien zu beschleunigen. Dieser Ausbau ist jedoch noch zu langsam, um die Klimaschutzziele der Regierung zu erreichen.

Auch diese Klimaschutzziele Deutschlands und insbesondere der EU sowie die Ziele aller anderen Nationen sind viel zu schwach, um den Herausforderungen der globalen Erwärmung mit katastrophalen Wetterextremen und steigendem Meeresspiegel zu begegnen. Die Menschheit muss eine Abkühlung der Erde um 1°C anstreben, wie es das erklärte Ziel des chinesischen Konzerns BYD ist, um eine realistische Chance zu haben, die menschliche Zivilisation zu schützen. Dafür müsste die Welt bis 2035 zu 100% auf Erneuerbare Energien umsteigen und viel Kohlenstoff aus der Atmosphäre entfernt werden.

Zheng:

Die deutsche Energiewende wird immer als „Lokomotive Europas“ bezeichnet, ist also Vorreiter bei Reformen. Es gibt aber auch Kritik, dass Deutschlands Umstellung zu schnell und zu radikal erfolgt. Wie sehen Sie das?

Fell:

Diese Kritik kommt von der fossilen und nuklearen Energieindustrie, die eine Umstellung auf 100% Erneuerbare Energien fürchtet, weil dann ihr Geschäft vorbei ist. Wir dürfen dieser schmutzigen und klimaschädlichen Industrie aber keine Beachtung schenken, denn wenn sie so weitermacht, wird die menschliche Zivilisation aufgrund der globalen Erwärmung nicht überlebensfähig sein.

Zheng:

Der Russland-Ukraine-Konflikt im Jahr 2022 hatte tiefgreifende Auswirkungen auf die Energieversorgung und -sicherheit Deutschlands. Deutschland hätte damals beinahe die Kohleverstromung wieder aufnehmen müssen. Wir können sehen, wie instabil die globale Energieversorgungskette heutzutage aufgrund geopolitischer Konflikte ist. Wie können die Probleme wie Energieknappheit und Energieverteilung durch Deutschland vor diesem Hintergrund gelöst werden?

Fell:

Sonne und Wind sind in allen Regionen der Welt im Überfluss vorhanden. Wenn wir überall 100 % Erneuerbare Energie nutzen, wird es keine geopolitischen Verwerfungen mehr geben, wie sie heute im fossilen und nuklearen Energiesystem existieren. Solar- und Windenergie sind die Energien des Friedens, denn man kann keine Kriege um sie führen, man kann keine „Pipeline“ für Sonnenstrahlung zerstören, aber es gibt viele Konflikte und sogar Kriege um Öl, Erdgas, Kohle oder Uran. Eine schnelle Umstellung auf 100 % Erneuerbare Energien wird Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen und Atomkraft bringen und kann damit der Welt Frieden und gleichzeitig billige Energie bringen, da Solar- und Windenergie sowie Batteriespeicher schon heute die billigste Energieerzeugung darstellen.

Globale Zusammenarbeit bei der Emissionsreduzierung

Zheng:

China befindet sich ebenfalls in einem schnellen Energiewendeprozess. Bis Ende August 2024 betrug die installierte Kapazität der Stromerzeugung aus neuen Energien in China 1,27 Milliarden Kilowatt, was 40,7 % der gesamten installierten Stromerzeugungskapazität entspricht, und es wurde eine vollständige Industriekette von Upstream über Midstream bis Downstream gebildet. Einige Leute glauben, dass Chinas Energiewende vom Pfad des hohen Verbrauchs und der hohen Umweltverschmutzung im westlichen Industrialisierungsprozess der Vergangenheit abgekommen ist (natürlich hat China diese Phase auch durchgemacht) und eine Lösung zwischen Entwicklung und Umweltschutz gefunden zu haben scheint. Was ist Ihre Meinung zur Energiewende Chinas?

Fell:

Das chinesische Energiesystem basiert heute hauptsächlich auf Kohle und Öl, etwas Erdgas und Kernenergie sowie zunehmend schnell wachsenden Erneuerbaren Energien. Diese fossilbasierte Energie ist ein großes Problem, da sie China zum größten Emittenten von Treibhausgasen gemacht hat. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien befindet sich jedoch auf einem sehr schnellen, exponentiellen Wachstumspfad. Kein anderes Land der Welt hat mit sauberen Energietechnologien eine so starke neue Industrie aufgebaut. Steigen diese Investitionen in den kommenden Jahren so schnell wie in den letzten Jahren, dann wird China alle Emissionen viel schneller beenden, als es das aktuelle Regierungsziel der Klimaneutralität bis 2060 vermuten lässt. Heute liegt der Anteil fossiler Brennstoffe an Chinas Energieversorgung bei über 80 %. Der China Energy Transformation Outlook 2023 der NDRC zeigt jedoch, dass China den Energiebedarf bis 2040 um 30 % senken kann und der Anteil Erneuerbarer Energien dann deutlich über 50 % liegen kann. Ich glaube, dass bei den aktuellen Wachstumsraten die Erneuerbaren Energien in China sogar vor 2040 100 % erreichen können, wenn der politische Wille so erhalten bleibt wie bisher.

Zheng:

Im August dieses Jahres veröffentlichte Foreign Affairs einen Artikel mit dem Titel „Wie der Kampf gegen den Klimawandel geopolitische Zwietracht überwinden kann“, in dem Chinas beherrschende Stellung auf dem globalen Markt für saubere Energie sowohl in wirtschaftlicher als auch in moralischer Hinsicht beunruhigt wird. Wie sehen Sie die wirtschaftlichen und moralischen Dilemmata, mit denen Europa und die USA derzeit in der Frage des Klimawandels konfrontiert sind?

Fell:

Die wichtigste Aufgabe der Menschheit besteht darin, die menschliche Zivilisation vor dem Aussterben zu bewahren. Die wichtigste Maßnahme hierfür besteht darin, fossile und nukleare Energiequellen durch 100 % Erneuerbare Energie und andere saubere Industrien zu ersetzen. Die Tatsache, dass China in dieser Hinsicht die Weltgemeinschaft mit großem Abstand anführt, ist ermutigend. Europa und die USA sind nicht auf einem solchen Weg, sondern schützen fossile Brennstoffe immer noch zu sehr mit Subventionen und anderen Vorteilen. Europa, die USA und der Rest der Welt sollten sich dieser positiven Entwicklung Erneuerbarer und sauberer Technologien anschließen, indem sie mit China zusammenarbeiten. Zölle, Handelsbarrieren und Sanktionen gegen Klimaschutztechnologien behindern nur die rasche Umsetzung eines wirksamen Klimaschutzes. Die Zusammenarbeit über nationale Grenzen hinweg ist auch die Grundlage für ein friedliches Zusammenleben zwischen den Nationen auf der Erde. Konfrontationspolitik kann schnell zu Kriegen führen, die keiner von uns will.

Zheng:

Die 29. Klimakonferenz der Vereinten Nationen (COP29) findet in Aserbaidschan statt, aber die Verhandlungen über das Klimafinanzierungsziel kommen immer noch langsam voran und es gibt auch viele Streitigkeiten über die genaue Höhe und die Bereitstellungsmethode der Mittel. Was ist Ihre Ansicht über die Auswirkungen der Klimafinanzierung auf die globale Zusammenarbeit zur Emissionsreduzierung? Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe für die schwierigen Fortschritte bei den Verhandlungen über die Klimafinanzierung?

Fell:

Die UN-Klimakonferenz in Baku ist genauso gescheitert wie alle UN-Klimakonferenzen davor. Keine hat Klimaschutz gebracht. Damit ist die Welt auf dem Weg in die Klimahölle, wie UN-Generalsekretär António Guterres treffend beschreibt. In Paris wurde 2015 vereinbart, die Erderwärmung nicht über 1,5°C steigen zu lassen und die jährlichen Emissionen zu reduzieren. 2023 war allerdings das Rekordjahr mit über 57 Gigatonnen CO2-Ausstoß und 2024 werden wir einen durchschnittlichen Temperaturanstieg von 1,55°C erleben. Die UN-Klimakonferenzen sollten sich weniger damit beschäftigen, wie öffentliche Kassen aus überschuldeten öffentlichen Haushalten den Klimaschutz finanzieren können und sich stattdessen auf die Ziele einigen, die die Einhaltung der planetaren Grenzen für das Überleben der menschlichen Zivilisation sicherstellen: eine Abkühlung um 1°C und eine Reduzierung der Treibhausgaskonzentration unter 350 ppm CO2 – heute liegt die Erde bei 425 ppm. Der Grund für das Scheitern ist der Einfluss der globalen fossilen Industrie in den Bereichen Energie, Gebäude, Verkehr, Petrochemie und intensive Landwirtschaft. Zukünftige UN-Klimakonferenzen sollten sich darauf konzentrieren, wie wir die Erde wieder abkühlen können.

Mit einem großen Forschungsprojekt namens Holocene wollen wir mit Universitäten auf der ganzen Welt diesen Weg zurück unter 350 ppm CO2 wissenschaftlich beschreiben. Finanzierungen und Forschungskooperationen hierfür sind sehr willkommen. Der Schwerpunkt der Klimafinanzierung muss sich von der öffentlichen zur privaten Finanzierung verschieben. Es wird wichtig sein, dass Unternehmen mit emissionsfreien und kohlenstoffreduzierenden Technologien Finanzierungen erhalten, um ihnen ein schnelles exponentielles Wachstum zu ermöglichen.

Zheng:

Was sind Ihre Erwartungen im Kontext der globalen Emissionsreduzierung für diese Klimakonferenz (COP29)? Auf welche Bereiche sollte sich Ihrer Meinung nach als international anerkannter Fürsprecher der Erneuerbaren Energien-Bewegung die internationale Zusammenarbeit in Fragen der Emissionsreduzierung in Zukunft konzentrieren?

Fell:

Die UN-Klimakonferenz in Baku ist genauso ineffektiv wie alle UN-Konferenzen davor. Sie zielen nicht auf die Abkühlung der Erde ab, sondern arbeiten in erster Linie an der Finanzierung der Klimaschäden für den globalen Süden. Aber diese Schäden können nicht mit Geld ausgeglichen werden. Wenn die kleinen pazifischen Inselstaaten, wenn Alexandria in Ägypten oder auch New York und Shanghai vom Meer überflutet werden, sind die Schäden nicht mit Geld auszugleichen.

Die Weltgemeinschaft muss sich darauf konzentrieren, alle Treibhausgasemissionen in zwei bis drei Jahrzehnten vollständig zu beenden und gleichzeitig über 300 Gigatonnen Kohlenstoff aus der Atmosphäre zu entfernen. Dies kann mit 100 % Erneuerbarer Energie, einer emissionsfreien Kreislaufwirtschaft und regenerativer Land- und Forstwirtschaft sowie einer Meereswirtschaft, die Algen nutzt, erreicht werden. Dafür gibt es viele positive Beispiele: China hat in der Gobi eine Fläche von der Größe Deutschlands aufgeforstet. Ich kenne Firmen, die aus Pflanzen Bioplastik oder Biokerosin herstellen. Es gibt bereits Start-ups, die aus schwimmenden Makroalgen, deren Wachstum sich in 10 Tagen verdoppeln kann, erste Produkte wie Biokohle, Biochemikalien oder Baustoffe herstellen. Diese saubere Wirtschaft muss sehr schnell hochskaliert werden. China ist auf einem guten Weg dazu. Wenn die chinesische Regierung dies weiterhin stark unterstützt, dann kann sie bei den kommenden Weltklimakonferenzen zeigen, was der Weg zum Überleben der menschlichen Zivilisation auf diesem Planeten Erde ist.

Quelle: Read More

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